
© Andreas Klaer
Kultur: Lobgesänge
Eröffnung der „Vocalise“ 2012 mit Bach und Mendelssohn. Zehn Konzerte während des Festivals
Stand:
Strahlender königlicher Glanz, innere Freude und pastorale Stimmung, der Sturz der Mächtigen, die Erhöhung der Niedrigen, göttliches Erbarmen – all das ist im Magnificat zu vernehmen. Johann Sebastian Bachs Vertonung des Lobgesangs der Maria, der im Lukas-Evangelium zu finden ist, eröffnete am Samstagabend das diesjährige Festival „Vocalise“ mit seinen zehn Konzerten. Bereits zum zwölften Mal wird es vom Verein „Musik an der Erlöserkirche“ veranstaltet. Künstlerischer Leiter ist Ud Joffe, der seit 15 Jahren für das musikalische Geschehen an der neugotischen Kirche in Potsdam-West verantwortlich ist.
In diesem Jahr widmet man sich thematisch den Psalmen sowie geistlicher Poesie. Komponisten aller Musikgeschichtsepochen dienten die Psalmen des Alten Testaments als Inspirationsquelle für vielgestaltige Vertonungen. Auch der Lyrik, in der so manche Dichter ihre jeweilige Glaubenshaltung bezeugten, haben sich Musiker zugewandt. So ist ein musikalischer Reichtum entstanden, der berührt, in Freude versetzt, bewegen will.
Bachs Magnificat in Luthers kraftvoller Übersetzung war der „Vocalise“-Auftakt, gefolgt von der Sinfoniekantate „Lobgesang“, zu der Felix Mendelssohn Bartholdy vor allem Psalmen und den Choral „Nun danket alle Gott“ von Martin Rinckart einbrachte. Ließ Bach die erste Fassung des Lobgesangs der Maria zum ersten Weihnachtstag 1723 erklingen, so folgte Mendelssohn einem Auftrag, den er für die Leipziger Feierlichkeiten zum 400. Jahrestag der Erfindung der Buchdruckerkunst durch Gutenberg 1840 erhielt. Beide Werke sind grandiose Festmusiken, doch Mendelssohns „Lobgesang“ kann einen gewissen theatralisch-pompösen Charakter nicht verleugnen.
Dirigent Ud Joffe hat die Potsdamer Kantorei auf sicheren musikalischen Boden gestellt. Die stimmliche Balance war exzellent, die Stimmfärbungen fügten sich zu einem homogenen Ganzen. Auch mit stilistischen Unterschieden kann der Chor bestens umgehen. Vernahm man beim heiklen Eingangschor des Magnificats noch eine kühle Distanz zum Werk, so wurden im Laufe der Aufführung die vielfältigen Affekte und das Filigrane der Bachschen Partitur wunderbar transportiert, genauso die subjektiven Empfindungen der so reich gestalteten romantischen Musik von Mendelssohn, die von einem Melodienreichtum nur so strotzt. Der intensiv-kraftvolle, aber niemals forcierte Klang der Potsdamer Kantorei vermochte an vielen „Lobgesang“-Stellen den Hörer emotional zu berühren. Auch mit der Solistenriege konnte das Konzert punkten. Die ungarische Sopranistin Anna Korondi sprang für die erkrankte Esther Hilsberg ein. Im Magnificat sang sie das andächtige „Quia respexit“ (Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen) tonlich noch etwas gebremst, doch in Mendelssohns „Lobgesang“ wusste sie ihre Stimme glanzvoll und höhensicher einzusetzen. Das Duett „Ich harrete des Herrn“, das sie mit der Mezzosopranistin Regina Jacobi sang, beeindruckte durch die ergreifende Homogenität und Interpretation beider Sängerinnen. Regina Jacobi bewies darüber hinaus im Magnificat, dass sie eine beeindruckende Bach-Interpretin ist, die besonders die instrumentalen Aspekte beherrscht. Für den Bariton Sebastian Noack gab es leider nur eine Arie an diesem Abend (Magnificat) zu singen, die er, wie erwartet, geschmackvoll darbot. Klang Markus Schäfers Tenor bei Bach noch etwas matt, so konnte er aber im Mendelssohn-Werk die Ausdrucksvielfalt der Musik stimmlich und textlich wunderbar präsentieren. Von Gefälligkeit keine Spur.
Das Neue Kammerorchester Potsdam zeigte sich ebenfalls von bester Seite, bei Bach und Mendelssohn. Es wurde engagiert und differenziert musiziert, der Klang blieb stets transparent. Die orchestrale dreisätzige Sinfonia zu Beginn der Mendelssohn-Kantate wurde rein gespielt, glitt nie ins Sentimentale ab. Joffe und seine Instrumentalisten betonten den Klangfarbenreichtum und legten die Schönheiten der Partituren frei. Doch die Stärke lag besonders in den Chorsätzen, die der Dirigent zu Händelscher Klangpracht aufbaute. Es gab verdient viel Beifall für ein Konzert, das Respekt verdient.
Nächstes Vocalise-Konzert am Samstag, 17. November, 19.30 Uhr, Friedenskirche Sanssouci, Am Grünen Gitter
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