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Von Heidi Jäger: Lug und Trug

Heute ist am Hans Otto Theater die erste Schauspielpremiere der neuen Spielzeit: Gogols „Revisor“

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„Der Revisor“ richtet im Oktober seinen messerscharfen Blick gleich zwei Mal auf die Stadt. Sowohl im Hans Otto Theater als auch auf dem Theaterschiff hat er sich angesagt. Ist es in Potsdam derzeit besonders nötig, unlautere Machenschaften beim Namen zu nennen und Sümpfe trocken zu legen? Regisseur Peter Kube winkt ab. „Das Thema Korruption und Ausnutzung der Ämter steht nicht nur für Potsdam, obwohl der Fall Speer gerade Wellen schlug. Aber wir lesen doch jeden zweiten Tag in der Zeitung, dass irgendwo jemand fallengelassen wird. Was wäre aber, wenn wirklich aufgeräumt werden würde?“, fragt sich der Theatermann, der sich bei diesem Thema geradezu in Rage redet und so wohl die beste Motivation hat, Gogols Dauerbrenner „Der Revisor“ ab heute im Hans Otto Theater lebensprall auf die Bühne zu bringen. „Bei diesem ganzen Nassauern und Sich-Bereichern: Wer soll da noch an Politik glauben? Kein Wunder, dass die Wahlbeteiligung allerorten sinkt, wie kürzlich auch in Potsdam bei den Oberbürgermeisterwahlen.“

Er selbst geht inzwischen nicht mehr an die Urne und sieht in seiner Heimatstadt Dresden nur deswegen die CDU immer wieder vorn, weil starke Lobbyisten dahinter stehen. „Was braucht es, um die ganzen Verkrustungen aufzubrechen? Ich weiß es nicht.“ Trotz ausbreitender Resignation will er sich die Spiellaune nicht verderben lassen und gerade deshalb schillernd groteske Figuren auf die Bühne bringen, die am Ende fast zu den Pistolen greifen, um sich gegenseitig zum Schweigen zu bringen. Denn das, was Gogol 1836 über eine russische Provinzstadt schrieb, in der fast keiner von Rang und Namen eine saubere Weste hat und Amtsmissbrauch, Veruntreuung und Bestechung zum Alltag gehören, liest sich sehr heutig. Dass ein Theaterstück wie der Revisor hohe Wellen zu schlagen vermag, weiß gerade Potsdam allzu gut.

Im Mai 1989 musste die Gross’sche Adaption „Revisor oder Katze aus dem Sack“ vom Spielplan genommen werden, weil sich die Stadtoberen wohl allzu deutlich widergespiegelt sahen. Der damalige Oberbürgermeister Manfred Bille schrieb sogar an den Schauspieler Michael Walke, der den Bürgermeister in dem Stück spielte, einen Brief, dass er sich durch ihn verunglimpft sehe. „Der so früh verstorbene Michael Walke war im gleichen Studienjahr wie ich. Heute steht seine Tochter Friederike bei mir im Revisor auf der Bühne und spielt die Bürgermeistertochter, die mit dem angeblichen Revisor verkuppelt wird, um ihn mundtot zu machen.“ Mit einem Brief vom heutigen OB rechnet er indes nicht. „Heute kann man doch alles sagen.“

Peter Kube inszeniert diese „schöne knappe Satire“ zum ersten Mal. „Und ich mache es gern“, so der Gastregisseur, der sich in Potsdam bereits vergangene Spielzeit mit der „Kameliendame“ vorstellte. Den „Revisor“ kenne er noch aus seinem Studium, als er ihn aus theaterwissenschaftlicher Perspektive „zerlegte“. Er war im vierten Semester, als sich bei einem Etüdenseminar, das angehenden Dramaturgen das Feeling eines Schauspielers vermitteln sollte, das Blatt für ihn wendete. Ein Lehrer entdeckte offenbar sein Talent für die Bühne und fragte Peter Kube, was er denn in der Theorieabteilung zu suchen habe. „Ich brauchte aber noch fast zwei Jahre, bis ich mich traute, zum Schauspiel zu wechseln. Bis 18 hatte ich ja noch abstehende Ohren. Ist jetzt gut geworden, wa?“ fragt er schalkhaft und zeigt in dem munteren Gespräch auf dem Restaurantschiff „John Barnett“ in der Schiffbauergasse auf seine heute perfekt angelegten Horcher.

Überhaupt scheint er sein Freiberuflerleben durchaus zu genießen, „auch wenn ich fast immer knietief im Dispokredit stecke. Aber solange du nicht ganz versinkst, ist es okay.“ Und wieder lächelt er verschmitzt. „15 Jahre war ich am Staatsschauspiel Dresden“, sagt Kube und betont genüsslich die Silbe „Staats“. Ebenso vergnügt fügt er an, dass er anfangs fast nur „klein“ gespielt habe. „Es gibt immer Schauspieler, die Postboten und Polizisten sind“, habe ein Regisseur ihn „getröstet“. Peter Kube verkroch sich nicht frustriert in die Ecke, sondern gab dann nebenher im „Zwinger-Trio“ seinem Affen Zucker.

Schon zu Ostzeiten fuhr das Trio mit politisch-satirischen Programmen in den Westen. Für die Veranstaltung „Revolution“ im Tempodrom mit all’ den Größen aus der DDR-Unterhaltungskunst, wie Mensching/Wenzel und den Puhdys erhielten auch sie als No-Names eine Einladung, weil der Manager sie in Dresden erlebt hatte. „Wir rollten mit dem Trabi vor und hatten einen schönen Erfolg.“ Als sie einem Westjournalisten anschließend ein Interview geben sollten, schlenderten drei Männer mit Handgelenktaschen ganz unauffällig an ihnen vorbei und hauchten: „Überlegen Sie sich genau, was Sie sagen.“ Das Trio sagte offenbar das Richtige, jedenfalls durften sie weiter in den Westen reisen, nunmehr gemanagt von „IM Fleischer“, wie sie später erfuhren. Ihre politischen Programme, zu denen es wohlweislich nie Textbücher gab, konnten sie später als Komplettausgabe in ihren Akten nachlesen. Und auch dass dieser Herr Kube direkt zur Republikflucht aufgerufen habe. „Erst im Nachhinein wurde mir ganz mulmig, wie dicht die Staatssicherheit an uns dran war.“

Peter Kube weiß unterhaltsam sein Leben in Geschichten zu kleiden. Wie in die vom Ende seines „Postboten“-Daseins. „Das war, als ich gerade im großen DDR-Fernseh-Mehrteiler ,Sachsens Glanz und Preußens Gloria’ Karl XII. geben sollte: eine ganze Rolle nur auf einem Pferd und ich konnte nicht reiten. Ich lag mehr auf dem harten Boden als im Sattel.“ Die Staatsschauspiel-Regiegröße Wolfgang Engel holte ihn vom Gaul „und verhinderte meine Blamage“. Er besetzte ihn als Wladimir in „Warten auf Godot“. Das war kurz vor der Wende und wurde ein Erfolg. Für den Gunther in den „Nibelungen“ kassierte Kube indes die vernichtendste Kritik seines Lebens: „Der Schauspieler führte die Rolle ins darstellerische Nichts.“ „Diesen Satz werde ich nie vergessen, er haute mir die Beine weg.“ Er stand wieder auf, bekam positive Kritiken und weitere große Rollen, wie den Schlomo Herzl in „Mein Kampf“ und den Goldberg, ebenfalls von Tabori. „Schließlich wurde ich als Hexe in den ,Verzauberten Brüdern’ stadtbekannt.“ Peter Kube kann auch über Misserfolge lachen. „Wir alle wollen, dass jede Inszenierung schön wird. Aber wir sollten nicht verbissen nach Lösungen suchen. Schließlich stirbt keiner, wenn etwas schief geht.“ Auch wenn es Kräche auf der Probe gibt und der Deckel hoch geht, bewahrt er die Ruhe.

Ins Regiefach wechselte er, als er inzwischen freiberuflich immer mal wieder an der „Komödie“ in Dresden spielte. „Als am Ende nur noch rumgeblökt und ich nicht mehr so glücklich war, nahm ich selbst die Regiefäden in die Hand.“ Mit seinem „Oscar“, einst die Paraderolle von Louis de Funes, landete er einen Volltreffer. Und auch Komödien-Oldies wie „Arsen und Spitzenhäubchen“ oder „Die Feuerzangenbowle“ provozierten die erwünschten Lacher. In der Operette probierte sich die Frohnatur ebenfalls aus, brachte unter anderem in Schwerin „Ritter Blaubart“ auf die Bühne. „Musiktheater ist schwierig: Wenn die Noten alle sind, musst du auch mit dem Text fertig sein“, witzelt er in gemütlicher Sachsen-Art. Von dort hat er auch seine Mittagsverpflegung für die Potsdamer Probenpausen mitgebracht, für jeden Tag fein in Gläser eingekocht von seiner Frau.

„Ich glaube, heute gibt es Roulade“, sagt Peter Kube, nimmt seine Luftpumpe und Aktentasche und radelt davon: Guten Mutes, heute sein Publikum mit anderer Kost zu packen: mit dem „Revisor“, der von der Großstadt in die Provinz reist.

Premiere am heutigen Freitag, 19.30 Uhr, im Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse. Karten unter Tel.: (0331) 98118

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