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Leben im Schatten des Welterbes. Touristen finden es schön – Einheimische würden in den historischen Parks gern picknicken und Rad fahren und auf manche Sichtachse zugunsten der Moderne verzichten. Wie man beide Interessengruppen zusammenbringt, das beschäftigte nun auch Kulturarbeitsstudenten aus Hildesheim.

© Manfred Thomas

Kultur: Luxus unter der Käseglocke

Benutzen oder bewahren: Für eine Gruppe Hildesheimer Studenten war es amüsant zu erfahren, mit welchen Problemen sich die Welterbe-Bewohner herumschlagen müssen

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Wie viele Nacktbader, wie viele Radfahrer, Wilde und Kreative verträgt das Potsdamer Weltkulturerbe? Öffentlich debattiert wurde das am Mittwochabend auf dem Theaterschiff. Thema: „(Welt-)Kulturerbe bewahren, beforschen, vermitteln? Das Beispiel Potsdam“. Da wurde zunächst weit ausgeholt – und am Ende dann doch konkret diskutiert. Wenn auch – wie zu erwarten – ergebnislos.

Die Podiumsdiskussion war somit ein klassisches Lehrstück in Sachen Potsdamer Kulturpolitik. Eingeladen hatte die Universität Hildesheim: 35 Studenten vom Studiengang Kulturvermittlung verbringen im Zuge ihrer Masterakademie derzeit drei Tage in Potsdam, mit klassischen Stadtrundfahrten und Debatten. Der Ort, sagen sie, erscheint ihnen besonders spannend. „Wir fragen uns, wie man in diesem Freiluftmuseum eigentlich lebt, wie man hier mit Brüchen, die es offenbar gibt, umgeht“, sagte Kulturmanagement-Professorin Birgit Mandel.

Auf dem Podium saß Anna Steinkamp von der Weltkulturerbe-Geschäftsstelle in Bonn und erklärte zunächst, wie ein Ort oder eine Landschaft in die Liste der mittlerweile 1007 Weltkulturerbestätten aufgenommen wird. Aus Potsdam debattierten Heinz Buri, Marketingleiter der Schlösserstiftung, und Hermann Voesgen, Kulturarbeit-Professor an der Fachhochschule und Mitglied im Kulturausschuss. Wolfgang Schneider von der Uni Hildesheim wollte, stellvertretend für die Gäste, vor allem wissen, wie die Potsdamer mit dem Welterbe Tür an Tür leben – und wie sie mit dem DDR-Erbe umgehen, den Hochhäusern im historischen Stadtzentrum etwa. „Uns Besuchern erscheint das wie ein preußisches Arkadien – aber was passiert unter der Oberfläche?“

Voesgen und Buri erklärten das Spannungsfeld. Die Stiftung sei klar beauftragt, das, was vom Weltkulturerbe noch vorhanden ist, zu bewahren und zu pflegen. Denkmalgerecht zu nutzen und zu vermarkten, so Buri von der Schlösserstiftung. Damit nicht eines Tages eine Unesco-Kommission die Rote Karte zückt und Potsdam seinen Welterbestatus verliert. Das ist zuletzt in Dresden passiert. Stadtplanung in Potsdam bewege sich also immer im Spannungsfeld unterschiedlicher Nutzungsinteressen  und Zuständigkeiten – von Stadt, Land und Bund. „Wir sind uns intern aber auch nicht immer einig, was in Sachen Marketing geht und was nicht“, sagte Buri.

Was gut ist für Touristen, komme bei Potsdamern nicht immer gut an, so Voesgen. Klar, dass vielen Bürgern eine strenge Ausrichtung auf Welterbebewahrung zu lebensfremd und alltagsuntauglich sei. „Wir müssen uns in Potsdam fragen, wie wir die Stadt für junge Leute interessant machen. Wir bilden hier Kultur-Experten aus – aber dann gehen sie weg“, so Voesgen.

Wer nämlich in Potsdam lebt, der versteht die Parks nicht vordergründig als Gartenkunstwerke – sondern einfach als Erholungsflächen. Die zentrale Frage für Voesgen ist deshalb: „Wie gehen wir mit Veränderungen, Widersprüchen, ja auch mit dem Hässlichen um? Auch das gehört zu einer sich ständig weiterentwickelnden Stadt.“ So könne man das Hotel Mercure als störend oder als erhaltenswertes Symbol sehen.

Auch Buri wolle natürlich keine Käseglocke über die wiederhergestellte Innenstadt stülpen, sagte er. Aber: Alles sei eine Frage der Abwägung. Die Stiftung stört sich etwa an den Badenden am Heiligen See, an heißen Tagen seien es bis zu 7000, die den ursprünglichen Wild-Rasen kaputtmachten. „Das tut unseren Gärtnern richtig weh“, sagte er. „Das Erbe darf uns nicht unter den Fingern zerbröseln.“ Immerhin erwirtschafte die Stiftung 30 Prozent Eigenkapital, mehr als manches Stadttheater, so Buri.

Für die Hildesheimer Studenten war dieser uralte Potsdamer Streit, dieser Expertenschlagabtausch spannend und amüsant. Zugleich lieferten sie mit ihren Einwürfen und Fragen eine neue Perspektive – den Blick von außen. Sichtachsen etwa sind für sie ein ganz spezielles Potsdamer Kuriosum.

Sie wollten wissen, wie man diesbezüglich mit den DDR-Hochhäusern am Kiewitt umgeht. „Wir haben sie gesehen und gedacht: ,Man, sind die hässlich’“, sagte eine Studentin. Dass man in Potsdam gerade darum ringt, auch solche DDR-Hinterlassenschaften sinnvoll zu nutzen, erklärte Voesgen anhand des Rechenzentrums. „Ein scheußlicher Bau aus den 60er-Jahren – aber hier entsteht jetzt Raum für Künstler und Kreativwirtschaft. Das ist doch toll.“

Damit war man bei „Potsdams Problemthema Nummer eins – der Garnisonkirche“, so Voesgen, angekommen. Wird sie gebaut, muss das Rechenzentrum verschwinden – und das ist umstritten. Ramona Dornbusch von Potsdams Unterer Denkmalschutzbehörde warb für die Baupläne. Der Turm gehöre ins Stadtbild. Für Voesgen ist das ein Luxusproblem. „Der Dreikirchenblick ist schön – aber wir brauchen ihn nicht.“ Potsdam leiste sich ohnehin den Luxus, einen Großteil seiner Flächen nicht zu verwerten.

Einig war man sich darin, dass Potsdam mit dem Welterbe einen Schatz besitze – um den es allerdings Interessenkonflikte gibt. Buri und Voesgen muteten an dieser Stelle den Hildesheimer Studenten die Geschichte um die möglicherweise geplatzte Sanierung der Villa Schlieffen durch Springervorstand Mathias Döpfner zu. „Wer ist denn Döpfner?“, fragten diese und rückten damit die Kommunikationspanne zwischen Stadt, Stiftung und Mäzen in die Nähe einer Provinzposse.

Zuletzt ließ es sich Voesgen nicht nehmen, eine Lanze für die Nacktbader am Heiligen See zu brechen. Lenné hätte das bestimmt auch befürwortet. „Wo gibt es das schon, einen Badesee mitten in der Stadt, mitten im schönen Welterbe?“, sagte er in Richtung Buri von der Schlösserstiftung. „Und im Übrigen ist es der Textilbereich, der immer besonders scheußlich zugerichtet wird. Das ist hier im Osten ein kultureller Unterschied“, sagte er den verdutzten Hildesheimern.

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