
© Andreas Klaer
Kultur: Macht im Wandel der Zeiten
Costantino Ciervo kritisiert Machtausübung und geht dabei von Friedrich II. aus
Stand:
Zwei Friedrichs stehen sich in der aktuellen Ausstellung im privaten Museum Fluxus plus gegenüber. Sie sind in einen ausdauernden Dialog versponnen. Auf Gliederpuppen, die über und über mit Kichererbsen bedeckt sind, hat der italienische, in Berlin lebende Multimediakünstler Costantino Ciervo zwei ovale Schalen montiert. In die projiziert er zwei Mal das gleiche Antlitz des Herrschers. Der Künstler lässt so die beiden widersprüchlichen Seiten des preußischen Machthabers unmittelbar aufeinander prallen. Denn die gesprochenen Sätze und Textfragmente stammen aus Niccolo Machiavellis Schrift „Der Fürst“ und dem so betitelten „Antimachiavell“, den Friedrich II. 1739 verfasste.
„Stets haben alle bewaffneten Propheten den Sieg davon getragen, die unbewaffneten aber sind zugrunde gegangen“, behauptet Machiavelli. „Ebenso richtig ist aber die andere Beobachtung, dass Lehren und Neuerungen manchmal fast mühelos ihren Weg finden“, entgegnet Kronprinz Friedrich. Unmittelbar bevor er im Jahr 1740 die Macht im Staat Preußen von seinem Vater übernahm, hatte Friedrich, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 300. Mal jährt, sich eindeutig positioniert.
In dem „Antimachiavell“ beschrieb Friedrich schon bevor er überhaupt regierte, den Herrscher als „ersten Diener des Staates“. Mit dieser Formulierung wollte er später in die Geschichte eingehen und sich schon früh als Freund von Philosophen und Schöngeistern profilieren. In seiner Schrift „der Fürst“ hatte Machiavelli im Jahre 1513 die seiner Ansicht nach sinnvollen Prinzipien einer absolutistischen Herrschaft dargelegt. Die Schrift führt einen Disput darüber, wie der durch Geburt legitimierte Herrscher nötigenfalls auch durch eine eher grausame Ausübung der Macht das wankelmütige Volk zur Raison zwingen könne. Entscheidend sei für den Potentaten das Kriegshandwerk zu beherrschen und gegebenenfalls auszuüben.
Friedrich hielt dagegen. Seiner Ansicht nach, die er im „Antimachiavell“ äußerte, habe sich der Fürst um die Wahrung des Rechts, um die Wohlfahrt seines Volkes und die Verwirklichung der Menschlichkeit als vorrangigste Aufgaben zu bemühen. Das hörte man im Jahre 1739 gern in Europa. Voltaire übte zur gleichen Zeit in Frankreich massive Kritik an Absolutismus und Feudalherrschaft und wies auf die Ausplünderung des Volkes durch die adeligen Herrscher hin. Friedrich, angetan vom Ruf Voltaires und bestrebt, sich im Glanz des Philosophen zu sonnen, schmeichelte dem Franzosen zunächst und lud ihn dann mehrfach nach Potsdam ein. Die philosophischen Prinzipien Voltaires allerdings fielen bei dem Preußen nicht auf so fruchtbaren Boden, wie der „Antimachiavell“, den der Künstler Ciervo zitiert, hatte erwarten lassen. Unmittelbar nach der Krönung gerierte sich Friedrich als Feldherr, der vom Geist Machiavellis durchdrungen war und seine Macht relativ hemmungslos auch auf ausgesprochen fadenscheiniger rechtlicher Grundlage ausbaute und festigte.
Darin glich Friedrich durchaus den gegenwärtigen Herrschern, deren Gesichter Ciervo auf den Flachbildschirmen platziert, die er an den Wänden des Raumes installiert hat. Ciervo versammelt in seiner Installation „Macht der Freiheit oder Freiheit der Macht“ Potentaten aus insgesamt 42 Ländern. Deren Herrschaft erinnert gegenwärtig durchaus an die machiavellinische Art und Weise, die Friedrich in seiner Schrift kritisiert hatte. Raul Castro aus Kuba, Vladimir Putin aus Russland, Truong Tan Sang aus Vietnam und Robert Mugabe aus Zimbabwe geben sich ein Stelldichein. Die Blicke von den Videoschirmen scheinen den Betrachter durch den Raum zu verfolgen. Nicht alle Gesichter erkennt der Besucher auf den ersten Blick. Es verwundert wie gewöhnlich die bloßen Gesichter der Herrscher, die Ciervo ohne die Insignien ihrer Macht und ihren Hofstab zeigt, erscheinen. Grausamkeit und Willkür sind vom Antlitz Meles Zenawis aus Äthiopien ebenso wenig unmittelbar abzulesen wie von dem Bashar al-Assads aus Syrien. Ciervo hat die Porträtreihe nicht nach eigenem Gutdünken zusammengestellt. Der Künstler hat sich an einer Liste der Nichtregierungsorganisation „freedom house“ orientiert. Seit 1973 erstellt die Organisation einen jährlichen Bericht, in dem sie die ihrer Ansicht nach „Worst of the world – the world’s most repressive societies“ benennt. Ciervo ergänzt das Panorama um Filmmaterial aus dem gegenwärtigen arabischen Frühling, in dem sich der Protest gegen lange ausgeübte Willkürherrschaft im Mittelmeerraum Bahn bricht. So zeigt die Installation ein umfassendes Panorama über die Möglichkeiten der Machtausübung und des Machtmissbrauchs, dessen Spannweite schon Friedrich vor Augen stand. Richard Rabensaat
Noch bis zum 29. April, mittwochs bis sonntags von 13 bis 18 Uhr, im Museum Fluxus plus, Schiffbauergasse
Richard Rabensaat
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