Kultur: Mal Bauerstochter, mal Prinzessin
Annett Renneberg zwischen zwei Polen – Lina ist ihre erste Titelrolle
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Annett Renneberg zwischen zwei Polen – Lina ist ihre erste Titelrolle Ihre Entdeckung zum Film liest sich wie die Szene einer Seifenoper. Als Annett Renneberg mit 13 Jahren ihren jüngeren Bruder von einem Casting abholen wollte, verlief sie sich auf dem Studiogelände und geriet selbst in ein Casting. Prompt erhielt sie eine kleine Rolle im „Tatort“-Krimi. Über diese im Internet verbreitete Geschichte möchte die attraktive Schauspielerin indes nicht mehr reden: schon zu abgedroschen sei diese durchaus wahre Begebenheit. Inzwischen gibt es zig andere Geschichten, die das Leben der 26-Jährigen füllen. Der Zufallsdreh mündete in einer erstaunlichen Vielzahl spannender Rollen und schließlich auch in die Goldene Kamera als Beste Nachwuchsschauspielerin 2002. Und bei keinem Geringeren als Altmeister Peter Zadek spielte die junge Berlinerin bereits in drei großen Theaterrollen. An der für sie bislang aufregendsten Geschichte arbeitet sie derzeit im Potsdamer Schlosstheater. Zum ersten Mal spielt Annett Renneberg eine Titelrolle: die „Lina“ in einem Stück von Markus Hille. Dieser Text fußt auf das Leben der Karoline von Günderrode, eine sehr kompromisslose junge Frau, die eine genaue Vorstellung von einem idealen Leben hatte. „Ihre große Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit und wirklichem Gefühl konnte sie in ihrer Zeit nicht finden. Sie wählte den Freitod, mit 26 Jahren – so alt wie ich heute bin. Aber Lina war nicht verzweifelt dabei. Es gibt eben das Leben und es gibt den Tod. Man hat die Wahl.“ Annett Renneberg konnte sich gut in Lina hinein versetzen, „auch ich bin nicht so gut in Kompromissen.“ Musste sie – jedenfalls in beruflicher Hinsicht – bislang wohl auch kaum sein, schließlich fielen ihr die Angebote förmlich in den Schoß. Dabei wollte sie trotz ihrer frühen Entdeckung gar nicht zum Film. „Als kleines Mädchen träumte ich davon, Ballerina zu werden, entsprach aber nicht den geforderten Maßen. Also schwenkte ich zur Opernsängerin um und nahm ab 13 Jahren klassischen Gesangsunterricht. Das Akkordeon war schon ab 6 ihr ständiger Begleiter. „Eigentlich wäre mir Klavier lieber gewesen, aber da wir Zuhause keines hatten, fand ich mich mit dem Akkordeon ab, schließlich hatte es auch Tasten.“ Nur dass sie sich als kleines Mädchen auf dem Stuhl anschnallen lassen musste, um das große Instrument zu beherrschen, fand sie nicht so toll. Auch nicht, dass sie keine kurzen Röcke beim Musizieren tragen konnte. Dennoch arbeitete sie ernsthaft an ihrer Musikkarriere mit dem Ziel: Studium an der Hochschule „Hanns Eisler“. „Die Dreherei zwischendurch machte mir zwar Spaß, aber ich musste sie nicht haben. Das machte mich sehr locker, anders als die meisten anderen, die unter großen Druck standen.“ Als Annett Renneberg bei der Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule durchfiel, musste sie ihre erste Niederlage einstecken, aber nicht lange leiden. Schließlich winkte Peter Zadek – ein Jahr nach ihrem Abi – mit einer Rolle in „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“. Mit 21 Jahren spielte sie dann ebenfalls bei Zadek die Ophelia in „Hamlet“ und derzeit steht sie als Solveig in „Peer Gynt“ auf der Bühne des Berliner Ensembles. „Plötzlich spielte ich an der Seite von Angela Winkler und Otto Sander – die oberste Schicht und ich dazwischen. Aber ich hatte keine Angst, denn jetzt kam der Beruf richtig zum Tragen. Die Bühne hatte auf mich einen ganz anderen Reiz, war nicht so vorhersehbar wie die Filmerei. Beim Theater da sind immer Zweifel. Heute findet dich das Publikum toll, morgen weniger, es ist eine große Fallhöhe.“ Mit der Arbeit am HOT lernte sie auch einen neuen Regiestil kennen. „Peter Zadek ist wie ein Diktator. Nur er macht Vorschläge. Er sieht das Gesamtbild und unterbricht nicht bei der Probe. Er überlegt vorher genau, welcher Schauspieler in welche Rolle passt. Das macht es sehr einfach. Uwe Eric Laufenberg hat hingegen einen viel impulsivere Art, man bekommt sofort eine Reaktion. Auch das ist gut. Ich vertraue ihm bedingungslos. Er stülpt mir nichts über.“ Annett Renneberg spielt meist aus dem Bauch. „Ich neige dazu, die Dinge lieber etwas kleiner zu machen, aber es ist wichtig, die richtige Energie zu finden. Das hat etwas mit Mut zu tun.“ Obwohl sie immer wieder im Fernsehen zu sehen ist, auch in der von ihr schon wegen Venedig geliebten Serie „Donna Leon“, sei sie noch keine „Gesichtsmarke“ geworden. Sie achte sehr darauf, unterschiedliche Rollen zu spielen, „sonst langweile ich mich schnell.“ 2001 drehte sie acht Filme. „Aber ich habe auch sehr gerne frei“, nicht zuletzt, um sich mit ihrem Freund, der Landwirtschaft studierte, in den Garten zurück zu ziehen. „Mein Traum ist es, irgendwann auf dem Land zu leben, vielleicht auf einer Pferdefarm im Ausland.“ Und auch da zeigt sich die Kämpferin in ihr. Denn als sie 2001 den Zweiteiler „Der blaue Vogel“ drehte, fiel sie vom Pferd und musste fünf Wochen an Krücken gehen. „Sie wollten mich umbesetzen, also sattelte ich wieder auf.“ Dann brach sie sich die Nase und bekam eine Fall-Phobie. „Durch meinen 27-jährigen Fuchs habe ich sie überwunden.“ Annett Renneberg ist ebenso gern die barfußlaufende Bauerstocher wie die Prinzessin auf samtenen Kissen. „Vielleicht bin ich deshalb Schauspielerin geworden. Hier kann ich meine zwei Pole ausleben.“ Und auch ihren Ehrgeiz. Denn am liebsten würde sie schon gestern ganz perfekt sein. Das erste Mal hat sie allerdings vor einer Premiere Lampenfieber: „Ich weiß, ich bin der ,Titel“. Das macht Angst, zu scheitern, denn man trägt eine andere Verantwortung.“ Nach „Peer Gynt“ stimmte die Kritik auf sie Lobeshymnen an. „Sollte mir das mit Lina wieder passieren, rahme ich mir die Artikel ein.“ Heidi Jäger Premiere, 22. Oktober, Schlosstheater
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