Kultur: Mal Bernsteins Maria, mal barock
Die Potsdamer Sopranistin Christine Wolff singt im Opern-Pasticcio „L“Amor Pastorale“
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Die Potsdamer Sopranistin Christine Wolff singt im Opern-Pasticcio „L“Amor Pastorale“ Schon im leichten Sommerkleid mit spärlichen Spaghettiträgern kommt man bei dieser brütenden Hitze ins Schwitzen. Am Freitag nun muss die Sängerin Christine Wolff das luftige „Tuch“ gegen das üppige Gewand im Rokoko-Stil eintauschen. „Die Kunst verlangt eben ihre Opfer“, meint die Sopranistin, und wirkt dabei keineswegs unglücklich. „Dafür darf ich jetzt jeden Tag durch den Park zur Arbeit radeln“: zu den Proben ins Schlosstheater. Bislang war die Potsdamer Sängerin eher selten in ihrer Heimatstadt zu erleben, im Schloss Friedrich des Großen gab die international bekannte Künstlerin bisher nur Konzerte. Um bei dieser Inszenierung von Il Confidenti – dem jungen Ensemble für Alte Musik - dabei zu sein, verzichtete sie sogar auf ihren geliebten Hiddensee-Urlaub. Ansonsten wäre es wohl wiederum schwierig gewesen, die Sängerin für Potsdam zu buchen. Schließlich ist ihr Terminkalender immer gut gefüllt: mit rund 60 Auftritten im Jahr. Dabei fährt die Sängerin gern mehrgleisig: Sie singt in Opern ebenso wie in Operetten und Musicals, fühlt sich aber auch dem Liedgesang sehr zugetan. In „L“Amor Pastorale“ darf sie nun in vielen schönen Gesangsnummern schwelgen. Bei dieser Einstudierung zum Auftakt des Rokoko-Opernfestes 2004 im Schlosstheater handelt es sich um ein Kammeroper-Pasticcio, also einer „Flickoper“ aus Werken mehrerer Komponisten, so wie es zur damaligen Zeit üblich gewesen ist. „Die sehr schönen Musiken von Baron, Benda, Friedrich II., Graun, Hasse, Nichelmann und Quantz werden sich nahtlos aneinander reihen. Sie geben den Klangteppich für ein heiteres Liebesverwirrspiel, das neu um die bekannte Musik drumrum rankt. Man taucht ein bisschen ein in die Welt des Rokoko, fühlt, wie damals Opern genossen wurden.“ Dazu gehören natürlich auch die entsprechenden Posen und Gesten, die nun von den Sängern möglichst stilecht eingeübt werden müssen. Christine Wolff, die die weibliche Hauptrolle singt, wird flankiert von drei um sie buhlenden Männern: gesungen von einem Tenor, einem Altus und – was besonders spannend sein dürfte – von einem Sopran, ihrem männlichen Pendant. Aber es werde nicht nur ein Fest fürs Ohr – wofür auch die ausgesuchten Musiker stünden – sondern vor allem auch fürs Auge. „Die von Christine Jaschinsky gestalteten Rokokokleider zeigen sich in den prächtigsten Farben“, schwärmt die Sängerin, ohne zu viel verraten zu wollen. Sechs Pasticcio-Vorstellungen stehen bis zum Ende des Rokoko-Opernfestes am 29. August auf dem Schlossbühnen-Programm. Aber auch danach verbleibt die freiberufliche Künstlerin in Potsdam. Nahtlos reiht sich zu den Bach-Tagen ihr Meisterkurs zum Thema Gesangspartien in Bach-Oratorien an, das sie nicht nur für die aktiven Teilnehmer, sondern auch für sangesfreudige „Mitlauscher“ öffnen möchte. „Publikum kann nur beflügeln“, so die erfrischend auftrumpfende Sängerin, die seit Jahren schon ihre pädagogischen Fühler ausstreckt. Und das mit Erfolg: wie die Zulassung einer ihrer Schülerinnen beim begehrten Gesangsstudium in Dresden gerade bewies. Selbst unermüdliche Schülerin bei zahlreichen Kursen und auch jetzt noch im Gesangsunterricht, weiß sie sehr gut, wie schnell eine Weiterbildung auch langweilig werden kann. „Ich habe mir immer notiert, was ich besser machen würde.“ Diese „Spickzettel“ wird sie nun zu ihrem eigenen Kurs hervor holen. „Vor allem werde ich darauf achten, dass interpretatorische Fragen nicht losgelöst von gesangstechnischen Aspekten behandelt werden.“ Und damit das Ganze nicht zu ernst daher kommt, werde sie den „Lehrplan“ auch mit kleinen Anekdoten auflockern. Sicher wird sie da auch in ihrem eigenen „Nähkästchen“ fündig, schließlich singt Christine Wolff bereits seit ihrem Ringelsöckchen-Alter. Die Mutter Ärztin, der Vater Dolmetscher, entspannten sich die Eltern gern beim häuslichen Musizieren, wo das Töchterchen frisch und frei ihre Soli dazu „schmetterte“. So stand schon frühzeitig fest, dass das talentierte Mädchen einmal Sängerin werden würde. Die Aufnahmeprüfung an der Leipziger Musikhochschule klappte prompt, und so saß die in Wolfen aufgewachsene junge Frau bald als emsige Studentin von morgens bis abends am Klavier oder in der Bibliothek. Hörte sie im Radio interessante Musik, suchte sie sich in den Bibliotheken die Partituren heraus und übte, bis sie auch bei ihr saßen. Ihre oberste Prämisse als Sängerin ist, nie ins Künstliche, Opernhafte zu verfallen. „Wenn man singt, sollen die Leute Genuss und Freude haben. Deshalb geht es mir um einen natürlichen Klang und um größte Textverständlichkeit. Immer wieder übe ich vor dem Spiegel, um Marotten abzustellen und alles so mühelos wie möglich daher kommen zu lassen.“ Auch Tonbandmitschnitte helfen ihr dabei. Christine Wolff ist Lernende und Lehrende zugleich. Für ihren Bachkurs hat sie auch viel nachgelesen: „über Sängerphysiologie und -psychologie, was auch wieder gut für mein eigenes Singen ist.“ Sie weiß natürlich auch um die Probleme der Sänger, wenn sie älter werden. „Wie überall, sucht man zunehmend nur junge Gesichter.“ Um so wichtiger sei der Spagat, selber auf der Bühne zu stehen und sich zugleich pädagogisch weiter zu profilieren. Seit mehreren Jahren ist sie inzwischen freischaffend. Der Start geschah indes nicht freiwillig und war natürlich mit Ängsten verbunden. Nach Chemnitz war sie am Theater in Dessau engagiert: Bis ein neuer Intendant auftauchte und sie ungesehen kündigte. Fortan arbeitet sie als Gast an vielen Häusern, und findet es richtig, gute Leistungen bringen zu müssen. „Schließlich zahlen die Zuschauer ja auch viel Eintritt.“ Sie reist in alle Richtungen: von Basel nach Köln, von Sofia nach Stuttgart – und weiß Potsdam als ihre „Mitte“, wo die Familie auf sie wartet. Dass Potsdam selten Auftrittsort ist, habe einfach damit zu tun, dass sie mitunter Kantoren oder Dirigenten absagen musste, weil sie schon „besetzt“ war. „Das nehmen manche leider übel.“ Um ihre Stimme zu pflegen, arbeitet sie musikalisch sehr ausgewogen, mal in der Oper, wo man durchpowern muss, mal im Konzert auch leiserer Gangart. Gezielt dringt sie in die spezifischen Singweisen ein: „Wer mich als Maria in Bernsteins ,West Side Story“ hört, wird nicht glauben, dass ich auch Barockopern singe.“ Aber genau darauf dürfen die Potsdamer nun gespannt sein. Gefragt sei hier vor allem die schlanke, kopfige Stimmgebung und das Auszieren der Gesangsstimme. Bevor sie zu den Proben fährt, kann sich Christine Wolff jetzt zu Hause einsingen. Ansonsten muss sie in spielfreier Zeit nicht mehr täglich üben: „Wenn die Technik da ist, springt die Stimme an wie ein Motor.“ Egal, in welchen Kleidern. Heidi Jäger Für die Premiere sind noch wenige Restkarten erhältlich. Tel. 030-39881138.
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