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Kultur: Man ist, was man isst

„Iss wenigstens das Fleisch“, meinen Michael Ranz und Edgar May in ihrem neuen Kabarettprogramm

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Wollschwein Willi hat gewütet: Sein Stall ist demoliert. Michael Ranz greift zu Hammer und Nagel, um noch schnell vor der Probe den Schaden zu richten. Die 74 Mäuler seiner „Mitbewohner“ hat er in der Frühe bereits gestopft: Hühner, Enten, Gänse, Kaninchen und auch Willi mit seinen acht Artgenossen schauen nun zufrieden in den Tag.

Ob sie es auch morgen noch tun? Irgendwann ist ihnen die Pfanne sicher, denn Kabarettist Michael Ranz ist richtiger Bauer. Und wenn er sein neues Programm „Iss wenigstens das Fleisch“ betitelt, weiß er, wovon er spricht. Ihm und seinem Bühnen-Mitstreiter Edgar May geht es im Leben und nunmehr auch auf der Bühne um gutes, bewusstes Essen – frei nach dem Motto: Nur ein Schnitzel die Woche, dafür aber ein gutes. Billiges Fleisch von Schweinen, die schon nach 100 Tagen auf der Schlachtbank landen, sind für Michael Ranz tabu. Seine Vierbeiner grunzen zufrieden 365 Tage auf weiter Wiese und in großen Stallungen – und schmecken am Ende auch dem Gourmet.

Der gebürtige Belziger wusste schon früh um seine dörflichen Neigungen und wurde Melker. Doch bald stellte er den Schemel in die Ecke – vom Künstlervirus infiziert. Nach seinem Studium an der Schauspielschule „Ernst Busch“ in Berlin kam er nach Potsdam und hielt dem Kabarett Obelisk zehn Jahre die Treue. Im Jahr 2000 wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit und erfüllte sich seinen sehnlichsten Wunsch: einen eigenen Bauernhof. „Einen besseren Ausgleich kann es gar nicht geben. Abends muss ich lustig sein, aber den ganzen Tag über kann ich über den Hof muffeln. Den Tieren ist’s egal, ob ich lächle. Hauptsache, ich habe Futter bei.“ Sein Melkerwissen durfte er allerdings nicht wieder auffrischen: „Kühe bekam ich bei meiner Frau nicht durch“.

Das Thema Essen geht ihm und seinem Bühnen-Compagnon bereits seit zwei Jahren durch den Kopf: Noch bevor das Gammelfleisch auch in der Öffentlichkeit zu stinken begann. „Natürlich wird es auch darauf ein paar Seitenhiebe geben“, aber die große Politik ist nicht der Braten, von dem die beiden sich eine dicke Scheibe abschneiden wollen, um sie widerzukäuen. Sie schauen auf sich selbst und auf die Freundestafel – damit haben sie Futter genug. „Da gibt es zum Beispiel das unterschiedliche Essverhalten von Mann und Frau. Sie bevorzugt die Stochervariante und lässt am Ende meist etwas auf dem Teller liegen. Er hingegen ist der Schlinger und Würger und muss am Ende noch den Rest der Frau in sich hinein stopfen. Und dann beschwert sie sich, dass er immer dicker wird.“ Auch eine französische Gourmet-Kakerlake kommt zu Wort. Sie hat es über sieben Ecken in die Kantine von Hohenschönhausen verschlagen. Nun quält sie sich mit Brat- und Currywurst. „Es ist schon ein Sittenverfall, was manche so in sich reinschaufeln. Und man ist nun mal, was man isst.“ Michael Ranz, Selbstversorger und eifriger Ketchup-Kocher, wird dem Publikum aber nicht den großen moralischen Zeigefinger entgegenstrecken, auch wenn er durchaus zum Nachdenken provozieren möchte.

Aber zuallererst sieht er sich als Unterhalter und mit Edgar May als Musikus und Widerpart lässt es sich über Schönheitswahn und dicke Kinder sicher trefflich streiten. Zumal die Musik – vom Couplet bis zum Pop-Song – dem satirischen Gelage die rechte Würze geben soll.

„Iss wenigstens das Fleisch“ – bitten Ranz und May ab 13. Januar im Kabarett Obelisk zu Tisch – und Lieblingsschwein Willi hofft, dass er noch lange nicht an der Reihe ist.

Weitere Vorstellungen am 12., 14., 16., 17. und 23. Januar.

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