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Perücke auf, los gehts: Gretel Schulze, Andreas Zieger und Helmut Fensch (v.r.n.l.) machen sich warm für die Vorstellung.

© Manfred Thomas

Von Gerold Paul: Manche mögen’s lau

Das Kabarett am Obelisk mit ihrem neuen Programm „Manche mögen’s heiß“

Stand:

Fünfzig Produktionen seit dem Mauerfall, fünfzigtausend Besucher jährlich, dazu TV-Auftritte, etliche Gastspiele, angesichts einer solchen Erfolgs-Bilanz müsste bei den Potsdamer Kabarettisten doch wohl endlich „Alles Banane“ sein. Oder wünschte es mancher noch doller? Gelegenheit wäre beim neuesten, dem vermutlich einundfünfzigsten Obelisk-Programm nach dem Ende der Wende gewesen, zumal man sich ausdrücklich auf Billy Wilders filmischen Geniestreich „Manche mögen’s heiß“ von 1959 bezog, wo die Erotik nur so knisterte und die Komödie Funken um Funken versprühte. Aber wer sind schon „manche“, was ist heiß in dieser kühl verschneiten Stadtlandschaft, und überhaupt, in welchem Proporz stünde Billy Wilder zu einem kaum durchschnittlichen Kabarett-Programm irgendwo in Preußen?

Fragen, auf die es im „Obelisk“ so wenig Antwort gab, wie auf gewisse Welträtsel: Zum Beispiel, ob Kanzlerin Merkel tatsächlich die Politik selbst lenke, Guidos Neigung sie aber verhindere. Per Titelklau waren die drei beredten Zungen Gretel Schulze, Helmut Fensch und der ewig Witze erzählende Exil-Sachse Andreas Zieger zu einer Art Inventur angetreten. Zwanzig Jahre deutsche Einheit, Verabschiedung des letzten Jahrzehnts und des laufenden Jahres dazu. Was hatte sich das Trio dabei eigentlich gedacht? Ziemlich wenig vermutlich, jedenfalls nicht genug, um ein Original zu erfinden, eines wie „Heidi“ zum Beispiel. Versprochen waren „preußische Hitze“, was ja nur „cool bleiben" heißen kann, weiterhin „kriminelle Energie“ (in den Bahnen des Erlaubten) und eine „knallige Sonne Afrikas“, wohin das illustre Trio sein armes Deutschland zeitweise hin exportierte. Folgenlos blieb alles, beliebig fast alles, langweilig das meiste. Vielleicht sollte man doch mal wieder über das „Theater“ in der Satire beim „Satire-Theater“ nachdenken?

Zum Entree hatte man noch den Eindruck, als ob das Ensemble tatsächlich Marilyn Monroe, Jack Lemmon und Tony Curtis für ihre Hauptinventur einspannen wollte, aber das verlief sich schon bald in gefälligen Plaudereien zu dem und dem: Die alte Kachelmann-Nummer zur Schön- und Schlechtwetterzeit, die atomgesteuerte Kanzlerfrau und ihre Atomindustrie, Paule-Orakel plus Fußballfieber – und schon war es Zeit, die eigenen „Lieblingswitze“ abzurufen, denn bei so oberflächlichen Palaver drohte die Stimmung am Mittwoch viel zu früh in den Keller zu sinken. Politik und Sonstiges in Stichworten, Sarrazin ohne Potsdam und ein Lena-Sieg, Strompreise und Iran, politisch ganz korrekt herübergebracht. Die Nummer zur Islamisierung von Luckenwalde war zwar auch nicht neu, dafür aber wenigstens andeutungsweise gespielt. Trotzdem nicht schlecht. Bis zur Pause nichts Nennenswertes, alles recht einfallslos und diffus. Manche mögen es einfach nur lau.

Danach nahm man sich die Namen einzeln vor, als ob Schäuble, von der Leyen oder der zu Guttenberg je Politik machen würden. Warum zeigt nicht mal ein Programm, wie sehr unsere Obristen auch nur arme Würstchen sind, ferngesteuert aus Straßburg und Brüssel! Mitleid verdienen sie, Liebe, nicht Spott, denn sie dürfen ja gar nicht anders, als sie es können. Ein bisschen davon schimmerte in Andreas Ziegers alertesten Solo zur Schicksalsgemeinschaft mit der aktuellen Regierung auf. Gretel Schulze war wie stets die Dampf-Lok des Abends, Helmut Fensch der Trabant, wie fast immer. Der fast schon gipfelmäßige Gag im gut Zweistundenprogramm galt dem Guido: Kam die Rede auf ihn, ging das Licht aus. Nett. Andere Nummern wie die Umbenennung deutscher Politiker in „Raumteiler“ (Merkel „immer in der Mitte“ oder „böse Waldhexe“ Leutheusser-Schnarrenberger), oder Gretel Schulzes Krankenschwester-Solo aus der Psychiatrie, waren gleichfalls nur Wiederholungen besserer Tage. Warum diese geborgten Reprisen? Wahrscheinlich fällt Potsdams Kabarettisten, die dauernd ihre Stadt vergessen, nichts Neues mehr ein. Immer dasselbe: Drei kommen auf die Bühne, spulen ein paar Dialoge ab, singen, ziehen gewitzt die Stimmung an, wenn diese Titanic spielen will, schnuffeln an den Fassaden der oberen Politik, pillern den Ungeliebten ans Bein, lassen Potsdam wahlweise rechts oder links liegen, palavern allgemein-konkret, notfalls mit „supercoolem Pokerface“. So machen es die anderen auch, im Fernsehen etwa, beim „Scheibenwischer“ selig. Obeliskes Kabarett wird langweilig, es gibt nicht mehr den Anspruch, überraschend zu sein, das Besondere zu wollen.

Und in Potsdam auch für Potsdam zu spielen, zumal sich gerade hier die gegensätzlichsten Geister der Welt recht exemplarisch austoben. Da darf es nicht passieren, einen Text ohne Adressaten von der Bühne zu lassen. Sollte der Werbespruch des Fördervereins („Wir nehmen auch Wessis“) etwa ein Notschrei sein? Ein paar Honecker-Witzchen machen es dann auch nicht mehr. Was hatte dieser lose genestelte Abend eigentlich mit Billy Wilders Titel zu tun?

Gerold Paul

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