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Nicht nur das Haar sitzt perfekt. Bernhard Roetzel, Fachmann in Sachen Mode.

©  Erill Fritz

ZUR PERSON: Manchmal sind doch die Frauen schuld

„Er sagt sich, ich brauche mal wieder eine Hose, dann geht er in den Laden.“ Bernhard Roetzel über ein nicht ganz einfaches Thema: Männer und die Mode. Im Potsdamer "h.f.ullmann"-Verlag hat Roetzel den "Mode Guide für Männer" veröffentlicht.

Stand:

Herr Roetzel, nach der Lektüre Ihres Buches bin ich doch froh, dass wir dieses Interview per Telefon führen. Können Sie sich denken warum?

Ich weiß nicht. Entweder denken Sie, dass Ihr Styling nicht korrekt ist und Sie haben Angst, dass ich Sie dann kritisiere. Oder weil Sie froh sind, dass Sie mich nicht sehen müssen, weil Ihnen mein Style nicht gefällt.

Eher das erste. Schließlich haben Sie ein Buch mit dem Titel „Mode Guide für Männer“ geschrieben. Da kann Mann nicht vorsichtig genug sein.

Das ist eine Angst die ich kenne. Aber wäre ich Weinautor und würde Sie zu Hause besuchen, würden Sie auch genau überlegen, welchen Wein Sie mir vorsetzen.

Klingt nicht ganz überzeugend.

Aber beim Wein ist es ja ähnlich, wie mit der Mode. Man bekommt einen Gegenwert für das, was man ausgibt. Und manchmal bekommt man für wenig Geld auch etwas sehr gutes. Wenn man weiß, wonach man suchen muss. In meinem „Mode Guide“ geht es weniger um bekannte Marken, die ich vorstelle oder Sachen, die ich vorschreibe. Es geht darum, wie ich mit meinem Budget meine Erscheinung optimiere. Es geht um den Look, um mal das moderne Wort zu verwenden, und weniger darum, dass ich nur mit der Marke XY ein toller Hecht sein kann.

Die Erscheinung zu optimieren, allein da wird es schon schwierig für den Mann. Können wir heute überhaupt noch von einer Modekultur bei Männern sprechen? Ein Blick in jede beliebige Fußgängerzone genügt da ja schon und ist, bis auf wenige Ausnahmen, doch sehr ernüchternd.

Wir haben ganz unterschiedliche Männer, die man gar nicht alle unter einen Hut bringen kann. Wir haben den modebewussten Mann, der jedem Trend folgt. Das sind in der Regel sehr junge Männer zwischen 15 und 25 Jahren. Dann die Männer von 25 bis 40 Jahre, die auch noch jung sind und sich ähnlich kleiden. Das sind die Leute, die wirklich gut aussehen.

Da sprechen wir aber immer noch von einer Minderheit.

Ja, und dann gibt es die ganz große Mehrheit der Modemuffel, der Modedesinteressierten. Das heißt nicht, dass die Leute nicht gut angezogen sind. Aber man kleidet sich einfach nach anderen Kriterien. Man zieht sich am Wochenende vielleicht mal schick an, weil man unter der Woche Arbeitskleidung trägt, natürlich je nach Beruf und da will man sich nicht extrem farbig kleiden. Das muss ordentlich aussehen, das muss immer noch ein bisschen bequem sein. Dann haben wir natürlich auch die große Gruppe der Männer die beruflich einen Anzug tragen müssen.

Vielen Männern die einen Anzug tragen, sieht man aber auch deutlich an, dass sie ihn tragen müssen. Was macht einen überzeugten Anzugträger im Beruf aus?

Man fühlt sich sicherlich wohler, wenn man sich damit abfindet, dass man den Anzug nun einmal den Großteil seines Berufslebens tragen muss. Da kann ich zwar ständig unzufrieden sein und mich innerlich nach meiner bequemen Freizeitkleidung sehnen oder ich mache das Beste daraus: Ich mache mich kundig, ich versuche Spaß am Anzugkauf zu haben, ich hole mir einen Anzug, der gut sitzt und an dem ich mich jedes Mal erfreuen kann, wenn ich ihn anziehe. Man verbringt ja viel mehr Zeit in seinem Anzug, als in seinem Auto, aber an seinem Auto hat man auch viel Spaß, wenn man drin sitzt. Insofern muss man sich einfach ein bisschen mit dem Thema beschäftigen. Darauf haben natürlich viele Männer keine Lust. Sie wollen sich mit dem Thema nicht befassen und oft halten die Frauen sie auch ein bisschen davon ab.

Die Frauen?

Ja, denn für die meisten Männer soll Kleidung in erster Linie praktisch, ordentlich und auch ein bisschen modisch sein. Da stecken in der Regel die Frauen dahinter, die die Kleidung für ihre Männer aussuchen.

Weil die Frauen den besseren Geschmack haben?

Weil die Frauen hier die Oberhoheit haben wollen und meinen, dass nur sie wissen, was bei ihrem Mann gut aussieht. Da ist ja immer meine Theorie, dass die Frauen ihre Männer bewusst unattraktiv einkleiden, um sie für andere Frauen unattraktiv zu machen.

Eine äußerst gewagte Theorie.

Die bisher noch nicht widerlegt werden konnte. Wenn ich manchen Frauen das erzähle, habe ich noch nie gehört, dass das so nicht stimmt. Das ist bei den ganz jungen Leuten anders. Die jungen Männer sind selbst sehr stylingbewusst, wenn ich sie auf dem Weg zur Schule, Ausbildung oder zur Arbeit so sehe. Junge Männer mit gezupften Augenbrauen, sonnenstudiogebräunt, perfektes Haarstyling, perfekte Sonnenbrille, da stimmt alles. Sie interessieren sich genauso für Mode und Styling, wie die Frauen, insofern ist das tatsächlich auch eine Generationenfrage.

Woran liegt es, dass sich so viele Männer nicht wirklich mit Mode beschäftigen? Vielleicht daran, dass Mann schon gerne will, doch wenn er ein Geschäft betritt und die große Auswahl sieht, schon nach kurzer Zeit keine Lust mehr hat?

Es gibt da verschiedene Erklärungsversuche. Ein Meinungsforschungsinstitut kam in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass der Mann eben sehr zielorientiert ist. Er sagt sich, ich brauche mal wieder eine Hose, dann geht er in den Laden und versucht die Hose zu bekommen. Wenn er dann eben dieses Riesenangebot hat und die Hose dann eben nicht dabei ist, sucht er sich keine andere Hose, sondern geht gleich wieder raus. Frauen brauchen eine Hose, gehen fünf Stunden bummeln und kaufen sich eine Tasche, Schuhe, einen Hut oder eine Sonnenbrille, aber bestimmt keine Hose und sind ganz glücklich. Und der Mann steht kopfschüttelnd davor. Das ist einmal diese andere genetische Prägung, dass der Mann zielgerichtet sagt: Das will ich haben! Und die Frau betrachtet schon den Weg zum Ziel als Genuss.

Also könnte Mann hier von Frau lernen. Aber ist Mode nicht auch immer ein gewisser Ausdruck von Individualität?

Mode ist insofern ein Ausdruck von Individualität, als das sie einem Menschen das Gefühl gibt ein Individuum zu sein. Tatsächlich ist aber Individualität etwas, was wir nur in sehr kleinen Dosen vertragen können. Der Mensch ist ein Herdentier und wenn ich auf der Straße nur auf Menschen treffen würde, die alle total anders aussehen würden als ich, bekäme ich Angst. Mode ist per se das Gegenteil von Individualität, sie wird immerhin in Massen verkauft.

Warum dann dieser ganze Aufwand?

Kleidung drückt ja etwas über mich aus und zeigt was ich bin. Das verrät Kleidung oft. Häufig auch Dinge, von denen ich gar nicht will, dass sie sie verrät. Und dann sagt Kleidung natürlich auch viel darüber aus, was ich sein will. Wenn ein Mann mit Cowboystiefeln, Hut und Lederjacke herumläuft, will er darstellen, was er sein will, nämlich ein ganz heißer Outlaw, ein wilder Typ. Auch wenn er sich vielleicht in seiner Laubenkolonie so anzieht. Bei Kleidung geht es ganz viel um geheime Wünsche und Träume.

Also ist Ihr „Mode Guide“ vor allem auch als Aufforderung an den Mann zu verstehen, endlich mal über Kleidung nachzudenken?

Ich glaube einfach, dass Männer grundsätzlich Interesse an Kleidung haben können, wenn man ihnen das Thema so nah bringt, dass es Spaß macht. Dass sie eben überhaupt erstmal merken, dass man sich mit diesem Thema befassen kann. Dass es einen Gewinn und eine gewisse Unabhängigkeit bringt, zum Beispiel von ihrer Partnerin, die sie nicht erst fragen müssen, ob dieses Hemd zu jener Krawatte passt. Denn es macht keinen Spaß in Modeläden mitgeschleppt zu werden und die Leute unterhalten sich über meinen Kopf hinweg über meine Kleidung und ich stehe daneben, wie ein dummer Junge und muss das alles mit mir machen lassen. Das macht viel mehr Spaß, wenn ich hingehen und mitreden kann und sagen kann, ob dieser Anzug mit steht oder eben nicht. Ich habe in den letzten Jahren durch die Fragen der Männer, die ich bei Vorträgen, über Facebook oder per E-mail gestellt bekomme, einfach gemerkt, dass der Wissensbedarf einfach riesengroß ist. Die Männer wissen aber immer nicht so richtig, wen sie fragen sollen. Ich habe mal die provokante Frage gestellt, wo sind die Väter hin, die das den Jungs vielleicht noch beibringen. Die Väter kleiden sich heute, wie die Jungs. Selbst wenn ich die Kinder zur Schule bringe, ist man heute mit 50 Jahren so angezogen, wie mit 15. Beide tragen ihre Cargohosen, beide tragen ihr T-Shirt, ihre Baseballmütze und dass der Vater den Jungs dann nicht sagt, wie man eine Krawatte bindet, ist klar.

Also Rückbesinnung auf bestimmte modische Standards?

Ich würde es eher als Kulturtechnik bezeichnen, wenn das nicht zu hoch gegriffen ist. Ich sage immer, man kann sich an die Currywurst-Bude stellen und da eine Wurst essen und Bier aus einem Becher trinken, das ist okay, macht manchmal auch Spaß. Aber manchmal setze ich mich zu Hause an den Tisch, decke diesen vorher mit einer Tischdecke und stelle schöne Gläser hin. Das ist dann so wie der Anzug. Das mache ich nicht jeden Tag, aber wenn ich weiß, wie es geht, macht es einfach mehr Spaß.

Sollten wir Männer in Zukunft öfter ohne unsere Frauen einkaufen gehen?

Ja, ich glaube schon. Vorausgesetzt natürlich, dass man sich ein wenig kundig gemacht hat. Aber ich denke, das wäre mal ganz gut. Weil man dann gezwungen ist, selbst Entscheidungen zu treffen und dafür dann auch die Verantwortung übernehmen zu müssen. Ich sage auch immer: Wenn ich Felgen für mein Auto kaufe, mache ich das doch auch lieber allein. Oder ich nehme einen Kumpel mit. Man kann zum Einkaufen auch mal andere Männer mitnehmen, außer wenn die absolute Modemuffel sind. Da wirkt die Kritik auch überzeugender. Ich meine, man weiß ja wie das ist mit der eigenen Frau. Das führt am Ende häufig nur zu Streit, wenn man etwas gerne hätte und sie aber der Meinung ist, das ginge gar nicht, obwohl sie nicht mal erklären kann warum.

Das Gespräch führte Dirk Becker

„Mode Guide für Männer“ ist beim Potsdamer „h.f.ullmann“-Verlag erschienen und kostet 14,99 Euro

Bernhard Roetzel, 1966 in Hannover geboren, ist freier Journalist und Autor.

Das Gymnasium besuchte Bernhard Roetzel in Schleswig-Holstein und studierte danach Grafik-Design in Hannover. Roetzel arbeitete als Werbetexter, PR-Berater und Drehbuchautor in Hamburg, Frankfurt und Köln.

Neben dem „Mode Guide für Männer“ hat Bernhard Roetzel unter anderem „Der Gentleman: Handbuch der klassischen Herrenmode“ veröffentlicht, das mittlerweile in fast 20 Übersetzungen vorliegt. Beide Bücher sind im Potsdamer „h.f.ullmann“-Verlag erschienen.

Bernhard Roetzel lebt mit seiner Familie in Berlin. PNN

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