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Kultur: Märchen seines Lebens

Andersen in Potsdam – Kartzow erinnerte an ihn

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Andersen in Potsdam – Kartzow erinnerte an ihn „Tränen in des Kaisers Augen sind mein höchster Lohn“, sagte die Nachtigall, als sie der Herr aller Chinesen für ein Sonderkonzert zu seinen Ehren beschenken wollte. Das gleichnamige Märchen des Dichters Hans Christian Andersen, mit Herz und Temperament von der Berliner Schauspielerin Brigitte Grothum gelesen, war am Samstag Höhepunkt und Abschluss der gutbesuchten Kartzower „Sommerkonzerte 2005“, zugleich eine wunderbare Hommage der Fahrländer „Musik- und Literaturgesellschaft“ sowie des Kulturbundes zum 200. Geburtstag des großen Dänen. Umrahmt von stimmig ausgewählten Musikbeispielen (Alabiew, Toch, Enna, Hartmann, Weber) sprach Wolfgang Wirth über des Dichters Aufenthalt in Potsdam und sein Verhältnis zu Jenny Lind, der „schwedischen Nachtigall“ in Berlin. Die dänische Botschaft hatte beim Recherchieren geholfen und einen historischen Bilderbogen mit Anziehpuppen geschickt. Hans-Christian Andersen, von einem Schuster gezeugt, von einer Waschfrau geboren, war ja bekanntlich Schneider. Er lernte 29 Länder kennen, schrieb 150 von aller Welt geliebte Märchen, auch wenn sie wegen ihrer Gesellschaftssatire in Russland zwischen 1835 und 1849 verboten blieben. Der deutschen Sprache mächtig, stieg er 1845 im „British-Hotel“ in Berlin ab, als ihm von Savigny die höchstpersönliche Einladung Friedrich Wilhelms IV. überbrachte, ihm und seiner gesamten Familie in Potsdam vorzulesen, Alexander von Humboldt hatte vermittelt. Und so geschah es am 3. Januar darauf. Hans Christian Andersen wohnte Am Neuen Markt 8 im „Prinz Heinrich“, wo ihn das Glockenspiel der Garnisonkirche sehr beeindruckte. Man speiste im Stadtschloss nebenan, hörte aufmerksam vier Märchen zu, darunter „Der Schweinehirt“ und „Das hässliche Entlein“. Nun war der König beeindruckt. Er verlieh Andersen (1805-1875) den Preußischen Roten Adlerorden, welcher den Ausgezeichneten die ganze Nacht lang nicht schlafen ließ. Mit Jenny Lind (1820-1887) wurde er in Kreuzberg bekannt. Sie galt wegen ihrer einmaligen Stimme und ihrer natürlichen Darstellungskunst als bedeutendste Sängerin des 19. Jahrhunderts. Ein Lexikon weiß noch heute zu berichten, dass sie die damals unglaubliche Summe von 500 000 Franc aus ihrem Privatvermögen für wohltätige Anstalten stiftete. Achtzehnjährig debütierte sie an der Berliner Oper mit einer Arie aus Webers „Freischütz“, war auch mit dem russischen Komponisten Alabiew befreundet, dessen wunderbares Lied „Die Nachtigall“ (nach dem gleichnamigen Märchen) sie erstmals als Einlage zum „Barbier von Sevilla“ sang. Alle tun es ihr seitdem nach. Andersen besuchte sämtliche ihrer Vorstellungen. Die UFA verfilmte das Leben der „Schwedischen Nachtigall“ 1941, in den Hauptrollen Ilse Werner und jener Schauspieler Gottschalk, dessen tragisches Ende Kurt Meatzig 1947 mit „Ehe im Schatten“ darstellte. Von Mathias Suschke am E-Piano begleitet, gab Kammersängerin Gabriele Näther sehr eindrucksvoll Beispiele von Märchen-Vertonungen genannter Namen. Solo spielte der Pianist das Vorspiel aus Toch“s Oper „Die Prinzessin auf der Erbse“ (UA 1927). Die Schauspielerin Deborah Weigert stand ihrer berühmten Mutter mit ergänzenden Lesungen zur Seite. „Tränen in des Kaisers Augen“ – am Ende ging ein schwerer Seufzer durch die Kirche, so schön war es. Erfuhr man über das Verhältnis von Lind und Andersen auch zu wenig, so war der Märchenkönig doch wieder einmal in die Herzen der Menschen eingekehrt. Gerold Paul Die verschollenen Noten zu Chemin-Petits „Schweinehirt“ (UA 1905, Potsdam) werden noch gesucht, vielleicht kann jemand helfen.

Gerold Paul

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