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Kultur: Märchenhaftes Samarkand

Auf dem Pfingstberg: Das Berliner Theaterlabor Interval spielt Grillparzers „Der Traum ein Leben“

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„Ich muss erst einmal verinnerlichen, dass das hier ab sofort mein Schloss ist“, sagt Olaf Michael Ostertag und schreitet mit wehendem weißen Gewand und versunken in seinem Bart aus Pappmaché majestätisch die Arkaden ab. Ab Donnerstag ist das Belvedere auf dem Pfingstberg sein Reich, in dem er als König von Samarkand das Zepter schwingen wird. Die ideale Kulisse für ein dramatisches Märchen wie Grillparzers „Der Traum ein Leben“, das in den Spiegelungen von Licht und Wasser auch gut des Menschen Spiegel ist.

Das Theaterlabor Interval Berlin nimmt sich mit diesem selten gespielten Stück der Seelenlage des modernen Individuums an, das zwischen dem Wunsch nach Macht und der Sehnsucht nach einem inneren Zuhause schwankt. So wie Rustan, der seine ländliche Heimat verlässt, um in Samarkand Freiheit, Ruhm und Abenteuer zu finden. Als „Lebensretter“ des Königs findet er zudem die Gunst der schönen Prinzessin Gülnare. Doch in seiner Traumreise gelangt Rustan auch in das Schattenreich seines Ichs: Über Lüge, Mord und Eitelkeit manövriert er sich in die Welt der Tyrannei. Märchenhaft geht es zu in diesem Drama, das Traum und Wirklichkeit ineinander verschwimmen lässt. Und die fließenden, verspielten Kostüme aus zarter Seide und fein plissiertem Organza unterstreichen diese Illusion.

Auch bei Regisseur Jaime Tadeo Mikán war es ein Traum, der ihn in die Arme dieses Stückes trieb. „Ich habe den Titel ,Traum – Ein Leben“ geträumt. Doch das Stück von Calderon brachte in mir nichts zum Klingen.“ Er forschte weiter in den Bühnen-„Träumereien“ und landete bei Franz Grillparzer, der sich wiederum von Calderon inspirieren ließ. Damit hatte Jaime Tadeo Mikán Material in den Händen, das ihm sehr geeignet erschien, es mit seinem Theaterlabor einzustudieren. „Die Sprache ist zwar anfangs wie eine Grenze, wird dann aber, wenn man sie sich erschlossen hat, zu einem schönen Mittel, in die Traumwelt einzudringen.“

Entstanden ist seine freie Theatergruppe bei einem Kurs des Instituts für Weiterbildung professioneller Schauspieler in Berlin. Dort lehrt der Kolumbianer Körpersprache und Ausdruck. „Die Schöpfung will, dass ich Lehrer spiele, dadurch lerne ich sehr viel. Ich habe das Privileg, Leute zu begleiten in der Suche nach ihrem Beruf“, so Mikán, der sich nicht davor scheut, seine gläubig-spirituelle Ader zu unterstreichen.

In „Der Traum ein Leben“ beschäftigen sich die Schauspieler vor allem auch mit sich selbst: „Mit dem Ruf unserer Berufung. Wofür ist Theater da, wofür der Schauspieler? Was ist wichtig, was nicht, was ist gut, was böse?“ Fragen, für die im normalen Theaterbetrieb keine Zeit ist. „Das ist das Schöne an unserem Labor: Man kann immer wieder zu seinen Wurzeln zurückkehren, gerade auch für freie Schauspieler ist es wichtig, einen Fixpunkt zu haben“, so Andreas Schwankl, der den Rustan spielt und dafür in einem feinen, schwarz-glänzenden Gewande steckt. „Das hat unser mexikanischer Kostümbildner extra für diese Inszenierung aufgepeppt, um der Belvedere-Feierlichkeit gerecht zu werden“, so „Rustan“.

Fast ein Jahr hat Interval an dem Stück gearbeitet, „Jeder konnte sich in allen Rollen ausprobieren, bis sich ganz zum Schluss die Besetzung heraus kristallisierte“, so Isabella Lewandowski, die die Prinzessin gibt. „Sie ist nicht nur die Herrscherin, sondern auch die Liebende, die Zweiflerin.“ Und um die vielen Facetten einer Figur noch zu unterstreichen, formieren sich die Schauspieler immer wieder auch zum Chor. Inzwischen besteht die Inszenierung in ihrer fünften Generation und mit der fünften Besetzung. „Immer wieder stoßen neue Schauspieler vom Weiterbildungsinstitut dazu, was neue Impulse gibt“, so Mikán, der seit 25 Jahren in Deutschland lebt, „geboren in immer wieder neuen Gestalten.“ Er steht auch selbst oft auf der Bühne, choreografiert – so wie bei „Aladin und die Wunderlampe“ am Hans Otto Theater – unterrichtet, spielt in Fernsehkrimis ...

Jetzt gibt er sich ganz dem Geist des Belvedere hin: „Die Akustik ist eine Herausforderung. Und die Wege sind länger, als bei unseren bisherigen Aufführungsorten. Das erfordert eine andere Spannung und Konzentration, um zu füllen und zu fühlen.“

Es ist das achte Mal in Folge, dass es in der zauberhaften Kulisse des Belvedere Sommertheater gibt. Dass die Wasserbühne mitspielen darf, ist eher selten der Fall. Doch zu diesem Traum gehört die Spiegelung der Lichtgestalten wohl einfach dazu.

Vom 23. bis 25. August, jeweils 20 Uhr, im Belvedere auf dem Pfingstberg,Vorverkauf unter 0331-20057930. Tickets 16/13 €.

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