Von Lore Bardens: Märchenland
Weichgezeichnet: Klaus Fahlbuschs Indien-Fotografien im Kulturministerium
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Wer die Treppen zum Kulturministerium des Landes Brandenburg hochgeht, kann wieder einmal erkennen, dass sich die Behörde nicht nur um das Wohlergehen ihrer Anvertrauten kümmert, sondern auch zeigt, was diese tun. Derzeit wird der Besucher begrüßt von dem Foto einer orange bekleideten Frau, die an einer vergammelten Hauswand entlanggeht und sicheren Schritts einem Ort entgegeneilt, von dem man vermutet, dass es der Fischmarkt ist. Denn unter ihrem Arm trägt sie, wie andere Frauen ihre Kinder, einen riesigen Fisch, dessen Maul halb offen steht und dessen Auge verständnislos auf die Straße glotzt.
Das Foto, das der Potsdamer Klaus Fahlbusch vergangenes Jahr in Indien aufgenommen hat, verdeutlicht das Interesse des Fotografen: er will die Buntheit, Beherztheit und Lebenszugewandtheit der Menschen des Kontinents, der unserem so fremd ist, mit seiner Kamera aufsaugen und uns eine farbenfrohe Botschaft überbringen.
Selbst der „Bettler“, das traurigste Foto der Serie, scheint noch diese Botschaft zu tragen. Der Mann mit dem abgemagerten Körper lagert vor einem Blechnapf, eine Bananenschale zeugt davon, dass er nach wie vor Appetit hat, und der Indien-Ungeübte fragt sich, was die weiße Farbe in seinem Gesicht bedeutet oder die roten Streifen auf seinen Armen. Die Vermutung liegt nahe, dass das Zeichen der Ausgestoßenheit sind, aber Genaueres erfährt man nicht.
Klaus Fahlbusch, seit der Wende freischaffender Fotograf und Kameramann, davor arbeitete er beim Wetterdienst als Ingenieur, liebt das Reisen. Ganz besonders ist er von Indien fasziniert, jedes Jahr verbringt er dort mehrere Wochen. Das Jahr 2008 war sein „Indien-Jahr“, mehrere Monate lang reiste er durch das Land, das ihn in eine zeit- und ortlose Kontemplation brachte. „Manchmal war nicht bestimmbar, in welchem Jahrzehnt oder Jahrhundert ich mich befand“, resümiert er – und seinen Fotos ist das Bemühen um überzeitliche Erkenntnis anzusehen. Es sind keine Sozialreportagen, die Fahlbusch macht, keine Illustration zu dem Roman „Der weiße Tiger“ von Aravind Adiga, in dem ein wütender junger Mann die harten Lebensbedingungen beschreibt, die ihn zu einem Mord treiben. Fahlbuschs Indien ist eines, das mit zartem Licht in der Morgenstunde übergossen schemenhaft die Silhouette eines Baumes zeigt oder leuchtend grüne Reisfelder im Vorübergehen, die Stadt Jodspur mit den feinen Spuren von Blau auf den weißen Wänden: Fahlbuschs Indien ist eine Welt, die das Leben farbenfroh feiert.
Auf seinen Schwarz-Weiß-Aufnahmen dringt er in die Gesichter der Porträtierten und zeigt eine Individualität, gezeichnet von Lebensspuren, die unseren westlichen, mediengestählten Gesichtern nicht eigen sind.
Da beißt ein Mann in einen Apfel, sein Blick scheint dem Betrachter zu drohen, der Bart unterstreicht den Mangel an Harmlosigkeit – und das Foto ist von einer Eindringlichkeit, dass man mehr über die Lebensgeschichte erfahren möchte. Traurig schaut ein kleiner „Shiva“ unter seinem bemalten Gesicht hervor, selten lächeln die Menschen, die Fahlbusch aus der Menge auswählt, um ihnen eine Art ästhetisches Denkmal zu setzen. Die Marktszenen geben Einblick in Formen von Leben, die unserem schon lange nicht mehr eigen sind: da machen die Menschen einen respektvollen Bogen um die (heilige) Kuh, sie tragen Säcke auf den Schultern oder dem Kopf, Ziegen sehen dem Treiben gelassen zu. Das Miteinander von Mensch und Tier wird in seiner Alltäglichkeit und Selbstverständlichkeit deutlich, auch das Nebeneinander von Leben und Tod, vor allem das wuselnde Leben, das aber nicht die Hektik kennt, die wir uns angeeignet haben.
So bringt Klaus Fahlbusch von seinen Reisen Impressionen aus einer anderen Welt mit, deren Motive lediglich Anlässe seiner Träumerei sind, Anlässe, sich in eine andere mögliche Wirklichkeit zu begeben und unseren Stress mit Leben in Farbe zu kontrastieren. Dass das ein manchmal durchaus weich gezeichnetes Bild ist, ist dem Künstler, der auf der Suche nach seiner eigenen Wahrheit ist, wohl herzlich egal.
Zu sehen bis 24. April im Kulturministerium, Dortustraße, Montag bis Freitag von 7.30 Uhr bis 17. 30 Uhr.
Lore Bardens
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