Kultur: Masken der Geschichte
Ausstellung der holländischen Malerin José van Tubergen in Römischen Bädern thematisiert die Shoa
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Ausstellung der holländischen Malerin José van Tubergen in Römischen Bädern thematisiert die Shoa Draußen plätschert der Springbrunnen, die Vögel zwitschern und die Blumen in ihren fein ausgeklügelten Rabatten blühen meisterhaft. Wahres königliches Ambiente entfaltet sich bei den Römischen Bädern, es enthebt einen von den Sorgen des Alltags und begleitet uns auch noch im ersten Raum der Ausstellung von José van Tubergen. Die Frau mit dem seltsam männlich klingenden Namen ist 1946 in Amsterdam geboren und lebt heute dort und in Berlin. Das führt sie manchmal auch nach Potsdam, wo sie sich von den grandiosen Bauten und Kunstschöpfungen der Geschichte inspirieren lässt, um daraus eine ganz eigene Interpretation zu gewinnen. Zwar glauben wir noch im Moment des Betretens des ersten Raumes, dass wir uns in einem interesselosen, rein ästhetischen Ambiente bewegen, schauen uns doch naiv und verführerisch gereiht Puttenköpfe entgegen, lasziv und gelähmt von der eigenen Verführbarkeit. Tubergen gliedert sie: mal zu viert nebeneinander, in drei Reihen, mal zu zweit und mal zwei oben, zwei unten. „Mask of History“ (Masken der Geschichte) nennt sie diese Serie – und da beginnen wir schon an der Harmlosigkeit des Unterfangens und der Möglichkeit eines noch vor Minuten erhebenden Wohlgefallens zu zweifeln. Das größte Bild dieser Serie ist über der fotografischen Grundfläche in Druckerkupferschwarz dominant gelb, ein anderes rot, ein anderes blau. Schattiert, manchmal glänzend, nicht ganz rein jedenfalls blicken diese engelsgleichen kindlichen Köpfe, aber dann entdeckt man dies: schwarz überstrichen, durchgestrichen, bearbeitet jedenfalls, durchpflügt sind sie mit einer Verve des kratzenden Strichs, die einem allein beim Ansehen Schauder über den Rücken jagt: Wie kann man sich an dieser erotisch-halbnaiven Treuherzigkeit so vergehen? So erreicht Tubergen, dass wir uns auch über den Titel Gedanken machen: Masken der Geschichte. Welche Geschichte wird, soll hier maskiert werden? Der Verdacht erhärtet sich im anschließenden Raum, in dem frank und frei ihre Erotica, inspiriert von den Göttinnenstatuen des Parks, gegenüber von Drucken hängen, in denen sie die Shoa thematisiert. Auf einem rosigen Tapetenmuster erheben sich die Umrisse zweier Synagogen, hebräische Schrift ist zu erkennen und auf einem anderen Bild heißt es in stockschwarzer, historisch korrekter Schrift: „Zu den Zügen“, ein Pfeil weist eindeutig in Richtung Ausgang. „One way out“ heißt die totale, grausame Aussichtslosigkeit, die nur einen Ausgang kannte: Tod durch Vergasen. Die ästhetische Leichtigkeit, die die Römischen Bäder vermitteln, ist jedenfalls dahin. Nun müssen wir, ob wir wollen oder nicht, uns unserer schrecklichsten Geschichte erinnern, die in der Umgebung der grandiosen Schlösser und Parks durch ein anderes Geschichtsbild übertüncht, vergessen werden soll. In dieser von der Holländischen Botschaft ausgerichteten Ausstellung gelingt das nicht, die Geschichte des Hitlerregimes verfolgt uns bis in den letzten, ausweglosen Raum. Schummrig dunkel wie in einer Gruft empfangen einen grabsteinartig platzierte quadratische Objekte, auf deren Oberfläche man von der erhabenen, lebendigen Position aus blickt: Auf dunkelrotem, lavaähnlichem, blutigem Untergrund erheben sich die grauen Ausschnitte der sarkastisch-neutralen Anweisungen mit Pfeilen und dem schon bekannten „zu den Zügen“. Historisch, weil verwittert, wirken die Aufnahmen, der Schmerz aber schreit präsent in diesem Totenschrein. Gegenüber der fünf Gedenkquader brennt es lichterloh: Orange quellen die Flammen, darüber zwei schwarze Rechtecke – mit Schriftzeichen zur Kennung: 3X – JX. Unbenannt, unerkannt die vielen Toten, hier bekommen sie eine erschreckende, fatale Lebendigkeit. Eine Zumutung? Vielleicht. Jedenfalls wirkungsvoll wie die Stelen in Berlin. Lore Bardens Römische Bäder, bis 16. Oktober.
Lore Bardens
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