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Kultur: Maß um Maß

„Der Kontrabass“ im Comédie Soleil

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„Der Kontrabass“ im Comédie Soleil Vielleicht ist es Zufall, vielleicht ist es Taktik – nachdem sich die Comédie Soleil zuerst mit Ensemble-Inszenierungen vorgestellt hatte, scheint jetzt peu á peu eine Einzel-Präsentation des Schauspieler-Stammes zu folgen. Erfreuliche Entdeckung: Glaubhafter als in „Moon over Hollywood“ stellte sich Christian Hiemer als Casanova dar, besser als der Schausteller Ross im „Elefantenmenschen“ konnte sich am Wochenende Horst Wüst in Patrick Süskinds tragikomischem Stück „Der Kontrabass“ behaupten, zur „Solo-Performer“-Zeit, welche ihr Publikum wohlmöglich gefunden hat und die sich bis in den Mai fortsetzt. Der geniale Musiker-Monolog über die reale Hassliebe eines beim Staatstheater beamteten Kontrabassisten zu seinem unförmigen Instrument, und eine platonische zu der Mezzosopranistin Sara, wurde vor Jahren im Schlosstheater gezeigt, Jürgen May spielte damals die unbenamste Figur mit artistischen Ansätzen. Dieser bedurfte es bei Horst Wüst nun nicht, egal ob er in den knapp zwei Stunden Aufführungszeit musikgeschichtliche, kompositorische oder menschliche Aspekte zwischen sich, seinem Instrument und der Welt herstellte, alles schien ganz gut zu laufen. Süskind schrieb ja seinen Theater-Monolog als Dialog mit dem Parkett, es direkt anzusprechen gehörte genauso zur blitzgescheiten Dramaturgie wie der bewundernswert weggesteckte Bierverbrauch, welchen der Autor jedem verordnet, der sich an seinen „Kontrabass“ wagt. Horst Wüst spielte diese psychogrammatische Generalbeichte mit schauspielerischem Minimalismus, sozusagen Maß um Maß. Er dozierte, erklärte, rechtfertigte sich in seiner schallisolierten Großstadtwohnung, mal ganz im Himmel, mal als der Verdammte seines Instrumentes, den Töter seiner Liebesbegierden. Der Zwitter aus Gambe und Geige hat sein ganzes Leben gefressen, es ist geordnet und orchesterhierarchisch gefügt, jeder Ausbruch in seine vermeintliche Mündigkeit geschieht allein im Geiste. Zuerst das hohe Lob auf die Unentbehrlichkeit des unförmigen Corpus, dann will er den „Dreckskasten“ gar zerhacken, mal preist er seine Musikerkünste, dann fühlt er sich nur als Handwerker: „Ich kann nichts“. Süskind lässt seinen Protagonisten alle Wasser der Welt trinken, alle Tiefen auskosten, alle Höhen erfliegen, freilich platonisch. Immer ist Sara dabei, als Geliebte und imaginierte Ehefrau, als unerreichbare Schönheit. Mit zunehmendem Alkoholpegel erwägt er sogar, die folgende Festspielpremiere mit einem Urschrei zu stören, nur um ihre Aufmerksamkeit zu erringen. Tut er es, oder nicht? Mit dieser Frage wurde das Publikum nach knapp zwei Stunden entlassen. Horst Wüst, der Komödiant, spielt nicht unbedingt hochartifiziell, aber sehenswert. Er betritt die Bühne als nachlässige Erscheinung, Unterhemd, Morgenmantel, ungepflegt. Er trinkt massig, bevor er zur Arbeit geht, der Zuschauer aber bangt, ob ihm das Bier nicht doch noch die Zunge lähmt, dem armen Schlucker süddeutscher Mundart. Wüste, kraftvolle Ausbrüche gliederten die heitere, doch maßvolle Inszenierung (Regisseur blieb ungenannt) existentieller Ausrichtung schlüssig, Spannung und Atmosphäre waren da, auch dem Tragikomischen wurde man mit trockenem Humor gerecht, das Publikum schmunzelte an diesem realistischen, unterhaltsamen Abend in Dauer. Vier Vorhänge und ein sympathisch-gelöster Gesichtsausdruck nach einer für Feuerbach-Verhältnisse gut besuchten Aufführung – mit etwas glänzenden Augen, klar. Gerold Paul Am 27. April folgen Gruselgeschichten mit Christine Zarft und Max Bauer, 20 Uhr.

Gerold Paul

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