Interview zu "Made in Potsdam": Mehr als ein Erfahrungsaustausch
Sven Till über die vielfältigen Spielarten und Möglichkeiten des Festivals „Made in Potsdam“.
Stand:
Herr Till, am Mittwoch beginnt in der Schiffbauergasse das Festival „Made in Potsdam“. „Tanz, Bildende Kunst, Musik“ steht auf den Plakaten. Was steckt dahinter?
In dem Festival sind mehrere Ideen zusammengeflossen. Zum einen ging es uns als „fabrik“ darum, ein Format zu schaffen, in dem sich die Gastkünstler der verschiedenen Residenz-Programme vorstellen können. Für die Künstler zum Begegnen, für das Publikum zum Begegnen und Kennenlernen. Aber auch die Begegnung von international arbeitenden Künstlern mit lokal und regional arbeitenden Tänzern und Choreografen. Ein Erfahrungsaustausch, aber auch als freudvolles Messen miteinander. Nicht als ein Wettbewerb, aber schon als ein Vergleich, woran wir arbeiten, woran Künstler arbeiten, die im Ausland wohnen, aber kurzzeitig herkommen. Dann haben wir uns gefragt, wie wir Brücken zu anderen Kunstgattungen schlagen können und im vergangenen Jahr eine Kooperation mit dem Kunstraum begonnen.
Sven Till, geb. 1965, studierte Germanistik und Geschichte, bevor er zum Tanz kam. Till ist Künstlerischer Leiter der „fabrik, dem Internationalen Zentrums für Tanz und Bewegungskunst.
Als Brückenschlag zur Bildenden Kunst?
Ja, und ganz simpel zu fragen: Ist das für euch interessant, unter diesem Label „Made in Potsdam“ eine Veranstaltungsreihe zu kuratieren? Auch mit dem ähnlichen Gedanken an Potsdamer Künstler. Wo sind andere Kunstgattungen, die vielleicht auch Querbezüge aufweisen? Oder in Zukunft vielleicht Querbezüge aufweisen können? Wo kann man vielleicht Begegnungen initiieren und möglich machen? Wie kann man sowohl das Publikum aus dem Bereich der Bildenden Kunst für den Tanz aufschließen und andersherum das Publikum aus dem Tanz für die Bildende Kunst? In diesem Jahr gehen wir da noch einen Schritt weiter in Richtung Musik.
Das Waschhaus veranstaltet im Rahmen von „Made in Potsdam“ neben einer Ausstellung im Kunstraum das dreitägige Klavierfestival „The Art of Piano“. Wie hat sich diese Zusammenarbeit innerhalb der Schiffbauergasse entwickelt?
Das Waschhaus war sehr aufgeschlossen und sehr neugierig auf das Format und die Idee. Ich blicke schon jetzt mit der noch mal stärkeren Verschränkung der Programmatik in diesem Jahr mit Neugierde und Spannung auf die nächste Ausgabe 2015. In Vorgesprächen haben wir noch einmal eine ganz andere Dynamik und ganz andere Energie in die Ideen von möglichen Kooperationsaustauschen um das Festival „Made in Potsdam“ entwickeln können. Das wird dann die Frage sein, wie wir das umsetzen. Zum Beispiel die Idee von den Residenzformaten, die auch vom Waschhaus mit Spannung gesehen werden. Wenn auch im Kunstraum zum Beispiel bildende Künstler über einen längeren Zeitraum vor Ort arbeiten würden.
Geht es Ihnen bei der weiteren Entwicklung von „Made in Potsdam“ auch um eine Vergrößerung des Festivals?
Es ist natürlich immer reizvoll, zu expandieren. Aber derzeit sind wir ganz froh, dass wir das Format in dem Rahmen stemmen können. „Made in Potsdam“ ist für uns in der aktuellen Konstellation schon ein relativ großes Format. Über fünf Tage mit vielen Aufführungen ist das alles sehr gedrängt. Das Festival ist schon in den letzten zwei Jahren einfach aus sich heraus schon ziemlich gewachsen und hat auch eine größere Aufmerksamkeit erfahren. Das ist toll und wichtig, um dem Festival auch überregional eine stärkere Aufmerksamkeit zu geben. Soll aber „Made in Potsdam“ noch größer werden, ist das immer abhängig von der Frage, welche neuen Partner man finden kann. Auch in anderen Kunstgattungen, die diesen Festivalgedanken spannend finden und da mitmachen wollen.
Was meinen Sie, wenn Sie von einer überregional stärkeren Bedeutung des Festivals sprechen? Bezieht sich das vor allem auf ein Publikum von außerhalb?
Nein, wir wollen auch Veranstalter ansprechen. Das ist auch ein Grund, warum wir am Anfang des Jahres sind. Das ist ein Zeitpunkt, der für viele Veranstalter spannend ist, weil man noch teilweise mit der Jahresplanung beschäftigt ist. Man kann also hier Produktionen sehen, die man vielleicht auch noch in seine Jahres- und Festivalplanung integriert. Und es ist zeitlich parallel mit den Tanztagen Berlin, einem größeren Festival, sodass es sich auch anbietet, Veranstalter an den Ort zu ziehen und zu sagen: Wir können euch in Potsdam etwas bieten und gleichzeitig könnt ihr in Berlin neue und frische Tanzproduktionen sehen. So dass sich Potsdam vielleicht auch ein Stück weit als Plattform für das überregionale Vermarkten von zeitgenössischer Kunst aus Potsdam begreift. Zumindest im Bereich Tanz.
Aber obwohl das Festival „Made in Potsdam“ heißt, sind vor allem internationale und weniger regionale Künstler zu erleben.
Ja, es sind zum größten Teil internationale Künstler. Aber wir haben in diesem Jahr als Potsdamer Choreografin und Tänzerin Laura Heinecke, die noch einmal „Invisible Roads“ als kurze Fassung zeigt. Am Eröffnungsabend wird es dann noch Improvisationsformate geben, wo Laura Heinicke und Henrik Kaalund mit dem Potsdamer Pulsar Trio zusammenarbeiten. Das wird kein Konzert, sondern ein Improvisieren von Musik und Tanz. Aber für uns ist es wirklich ein wichtiger Punkt, zu zeigen, dass die Künstler, die hier für kurze Zeit arbeiten, für uns Teil-Potsdamer sind. Diese Arbeiten, die hier entstehen, sind auch ein Teil Potsdamer Arbeiten. So kam auch dieses Label, dieser relativ simple Name „Made in Potsdam“ zustande. Künstler, die vielleicht in Taiwan oder in Berlin wohnen und hier ein Stück ihrer Arbeit geleistet haben, sind eben auch ein Teil dieser Stadt. Die sich gleichzeitig aber auch dafür interessieren, was in der regionalen und lokalen Kunstszene im Bereich Tanz da ist. Zu schauen, wer hier arbeitet und lebt.
Was wird alles an diesen fünf Tagen in der Schiffbauergasse zu erleben sein?
Es sind ja fast alles Produktionen, die zum ersten Mal in Potsdam zu sehen sind, mit Ausnahme der Arbeiten von Laura Heinecke und Henrik Kaalund. Teilweise sind es auch Arbeiten, die zum ersten Mal in Deutschland gezeigt werden und eine Urpremiere von einer Kompanie aus Istanbul. Das ist für uns auch die erste Kooperation mit einer Tanzkompanie aus der Türkei, die wir im vergangenen Jahr begonnen haben. Es ist also ein ästhetisch breit gefächertes Programm, also unwahrscheinlich vielfältig von narrativ-erzählerischen Formaten bis hin zu eher abstrakten Formaten, von spielerischen Formaten, die auch mit der Zuschauer-Künstler-Situation im Raum spielen, sie umkrempeln. Ich bin besonders gespannt auf Nicole Beutler, eine deutsche Choreografin, die Bildende Kunst und Literatur studiert hat, dann zum Tanz kam und seit vielen Jahren in Holland lebt und arbeitet. Sie war schon zweimal hier beim Festival mit einer Aufführung, zum einen „Antigone“ im letzten Jahr und das Jahr davor mit „The Garden“. Sie kommt jetzt mit einer neuen Produktion, wo es um Paartanz und Paarungen geht. Jede ihrer Arbeit hat einen ganz eigenen spezifischen originären Ansatz. Man kann sie schwer thematisch vergleichen, weil sie immer aus einer ganz neuen Richtung und mit einer ganz neuen Idee kommt. Jedes Stück ist ein Universum für sich, gleichzeitig aber ist ihre künstlerische Handschrift sehr klar und stringent. Sie benutzt eine sehr starke Formsprache. In der Produktion wird das in der klassischen Frau-Mann-Paarung und in dem Ausloten der Beziehung zwischen Mann und Frau durch verschiedene klassische Paartänze gespiegelt.
Wie finanzieren Sie „Made in Potsdam“?
Wir haben zum einen eine große Unterstützung durch den Etat für die Schiffbauergasse, gerade für die Werbemaßnahmen. Und dann haben wir es in den vergangenen vier Jahren geschafft, so zu planen, dass wir jetzt mit Einnahmen wirtschaften können. Das ist eine Brücke in der Finanzierung. Wir als „fabrik“ erwirtschaften Eigeneinahmen von 30 Prozent. Das ist ein sehr hoher Anteil im Vergleich zu anderen Theatern, bei denen die Eigeneinnahmen bei rund zwölf Prozent liegen. Das sind bei uns natürlich nicht nur Einnahmen von den Aufführungen, sondern auch von den Kursen. Das gibt uns die Möglichkeit, dass wir erst einmal in Vorkasse gehen können. Und wir bekommen natürlich von der Stadt und vom Land regelmäßige Förderungen, die gestaffelt ausgezahlt werden.
Das Gespräch führte Chantal Willers
(06.01.14)
Mittwoch, 8. Januar
20 Uhr: Eröffnungsabend mit Henrik Kaalund, Laura Heinecke und Shang-Chi Sun, fabrik Potsdam (Schiffbauergasse)
22 Uhr: Pulsar Trio,
fabrik Club
Donnerstag, 9. Januar
19 Uhr: Vernissage Interventionen im Raum, Waschhaus Kunstraum (Schiffbauergasse)
20 Uhr: Nicole Beutler,
fabrik Potsdam
Freitag, 10. Januar
20 Uhr: Nicole Beutler,
fabrik Potsdam
21.15 Uhr Eugénie Rebetez, T-Werk (Schiffbauergasse)
21.15 Uhr: Shifts / Gerbes & Brandstätter,
Waschhaus Arena
22 Uhr: DJ René Löwe,
fabrik Club
Samstag, 11. Januar
20 Uhr: Taldans,
fabrik Potsdam
21.15 Uhr: Eugénie Rebetez, T-Werk
21.15 Uhr: Shifts / Gerbes & Brandstätter,
Waschhaus Arena
22 Uhr: Jazz Lab,
fabrik Club
Sonntag, 12. Januar
16 Uhr: Elisabete Finger, T-Werk
18 Uhr: Taldans,
fabrik Potsdam
Weitere Informationen und Eintrittspreise unter www.made-in-potsdam.com
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