
© Andreas Klaer
Kultur: Mehr als heiße Luft
Das Trio „Föhn“ zeigt ab heute im KunstWerk zum ersten Mal seine Malerei, Grafik und Fotografie
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Er wird zur Eröffnung mit im Rampenlicht stehen. Schließlich ist er der Namenspatron für die junge dreiköpfige Künstlercrew. Der monströse Föhn für Haustiere lag schon ausrangiert im Sperrmüll, als Sabine Finzelberg das eigentümliche Ding mit dem kanonenartigen Rohr aufstöberte, um es vielleicht als Kunstobjekt zu neuen Ehren zu führen. Doch kurz nach der Rettung leistete das hoch aufragende Unikum ganz in seinem ursprünglichen Sinne gute Dienste.
Als sich Sabine Finzelberg mit ihren beiden Freunden Stephanie Pigorsch und Stefan Pape im Sommer 2009 das erste Mal auf den Weg machte, um ihr Atelier in einer Baracke am Neuen Palais in Besitz zu nehmen, wurden sie von einem heftigen Schauer erwischt. Da war die warme Luftdusche für die vom Regennass geschüttelten Freunde ein wahrer Segen: Er trocknete sie von Kopf bis Fuß. Dieser erste tropfnasse Tag im Atelier war zugleich der Anfang der gemeinsamen künstlerischen Liaison, die jetzt in der ersten Ausstellung von „Föhn“ mündet, die am heutigen Freitag im KunstWerk eröffnet wird.
Eigentlich haben die Drei im benachbarten „KuZe“, dem studentischen Kulturzentrum, ihr Aktionsfeld. Die 28-jährige Lehramts-Kunststudentin Sabine ist dort seit Juli Geschäftsführerin und Stefan Pape technischer Leiter. Seine Freundin Stephanie, die an der Fachhochschule Potsdam Sozialpädagogik studierte und beim Jugendring arbeitet, mischt ebenfalls engagiert am „KuZe“-Programm mit. Jetzt allerdings füllt erst einmal Artur ihr Lebensprogramm, der viermonatige Nachwuchs, der das Gespräch mit zufrieden schmatzenden Stillgeräuschen begleitet. „Während der Schwangerschaft habe ich überhaupt nicht gemalt“, sagt die junge Mutter. „Es war eine sehr harmonische Zeit.“ Für die 29-Jährige ist das Malen wie ein Ventil, um ihrer Melancholie und Sehnsucht Bahn zu geben. Schon als kleines Mädchen saß sie in aller Frühe mit Stiften und Tusche am Tisch, versank in ihrer Fantasiewelt. Heute erzählen ihre Bilder von Zerwürfnissen und Hoffnungen, von der Familie und der Gesellschaft. Auch Fotos sind in der Ausstellung, aufgenommen während ihres neunmonatigen Aufenthalts in Indien, den sie als die „totale Freiheit“ erlebte. Sie war mit ihrer Kamera ganz nah am Menschen dran und erzählt leise flüsternd ihre Geschichten. Ein taufrisch von Stephanie Pigorsch gemaltes Bild gelangt ebenfalls in die Schau: das Doppelporträt von Vater Stefan und Sohn Artur, das aber erst ab heute Abend zu sehen ist.
Für das malende Trio mit den sehr unterschiedlichen Handschriften war die damalige Luftdusche zur Atelier-Premiere zugleich ein Kreativschub: „Ein Wind, der uns weiter treibt“, wie Sabine Finzelberg sagt. Aber heiße Luft kann natürlich auch bedeuten, dass nicht viel dahinter steckt. Ihre Kunst eine Luftblase? Mit dieser Selbstironie spielen die jungen, expressiv auftrumpfenden „Wilden“ gern, auch wenn sie natürlich ihre Malerei ernst nehmen. Sie ist für sie eine Sinnsuche. „Für mich passt das Bild der heißen Luft aber ganz gut“, räumt Stefan Pape ganz nüchtern ein. Nach mehreren Fehlversuchen, Kunst zu studieren, hat er diesen Traum ad acta gelegt. „Jetzt male ich für mich, weil es mich ausmacht.“ Manchmal greift der Mann mit dem rot-weißen Ringel shirt und der frechen Schiebermütze monatelang nicht zum Pinsel. Dann überfällt es ihn geradezu wahnhaft und er malt die ganze Nacht hindurch. Sechs dieser „Wahnbilder“ sind in der Ausstellung zu sehen. Darunter ein in Rot getauchtes Gesicht, aus dem glühend dunkle Augen unheilschwanger hervorstechen. Der gelernte Tischler beackerte mit diesem tieflotenden Farbschlag seine Einsamkeit. „Als ich diese Bilder malte, war es das erste Mal, dass Stephanie mit dem Kind im Bauch wegfuhr und ich alleine blieb. Und Alleinsein halte ich nur schwer aus.“ In seinen Bildern schwingt aber auch Ironie mit, wie in dem uralten Psychologischen Wörterbuch, das er karikierend „umschrieb“. Und dann schwimmen da noch die Wale durch seine Bilder. So wie Sabine Finzelberg sich in konfuser Abstraktheit mit Linien und Schwingungen eines Schneebesens herumschlägt, einem längst zurückliegenden Seminararbeitsthema, in dem sie sich aber noch immer „windet“. Schaumschlägerei, heiße Luft? Nein, ernstzunehmende Arbeiten, die entstehen, wenn der Föhn kommt, wie Stefan Pape sagt. Luft, die einem manchmal auch den Atem nehmen kann. Heidi Jäger
Eröffnung heute um 20 Uhr im KunstWerk, Hermann-Elflein-Straße 10
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