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FREITAGS: Mehr als Operette

Ohne Frage. Über die Architektur des neuen Theaterhauses lässt sich streiten.

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Ohne Frage. Über die Architektur des neuen Theaterhauses lässt sich streiten. Noch vielmehr über ihre vom Parkhaus–Koloss abgedrängte Lage. Doch dass das Äußere dieses Baus nur bestimmte Stücke zulasse,wie es der Regisseur Achim Freyer gestern in einem PNN-Interview behauptet, scheint eher wie ein überhitzter Sommerzündstoff leichtmütig hingeworfen als wirklich ernsthaft durchdacht. Freyer steht diesem „merkwürdig bunten Haus“, das nichts mit der Landschaft und der Architektur der Gegend zu tun habe, nur Operettenhaftes und bestenfalls die Commedia del’arte zu. Er selbst inszeniert derweil für das plüschige Rokokotheater im Neuen Palais die Winteroper „The Fall of the house of usher“ von Philipp Glass, die auf Edgar Allan Poe zurück geht: auf die gruselige Geschichte um einen Nervenkranken in einem gespenstischen Haus. Ein spannendes Stück über den Zerfall, das sicher gerade an einem Ort der Perfektion zu interessanter Reibung führen kann.

So wie auch andere Häuser aus Gegensätzen Spannung beziehen, selbst wenn sie nicht so traditionsreich sind wie das Schlosstheater. Das inzwischen abgerissene Theaterhaus am Alten Markt, dem keiner eine Träne nachweint, wurde trotz des grobschlächtigen Blechbüchsen-Charmes gar als „Ballhaus“ in Szene gesetzt. Und auch bei der einfühlsamen Aufführung „Das Leben ein Tanz“ sog jeder das Geschehen auf der Bühne ein und vergaß alle provisorische Nüchternheit drumherum.

Ebenso gab es in dem neuen Theater am Tiefen See nicht nur fächerwedelnde Luftikusse, sondern durchaus tiefschürfende Klassiker, wie Effi Briest oder Faust. Und auch politische Schwergewichte wie „Der Fall Janke“ oder „Staats-Sicherheiten“ fielen nicht der äußeren „Heiterkeit“ zum Opfer. Aber vielleicht probiert es Achim Freyer ja selbst einmal aus und wagt sich gerade an einen Gerhart Hauptmann, den er im Neuen Theater für unspielbar hält. „Die Ratten“ wären trefflich geeignet, geht es darin doch auch um verschiedene Vorstellungen von Theater und dessen Beziehung zum Leben.

Früher sind die Schauspieler mit ihrem Thespiskarren losgezogen und machten jeden Ort zu dem ihrigen. Auch eine behauptete Bühne kann Bilder auslösen, wenn man sie in sich selbst findet. Was den einen abschreckt, kann den anderen zu wahren Fantasieburgen inspirieren. Insofern ist dem einen sein Entsetzen, dem anderen sein Labsal.

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