Kultur: Mehr Mittelmaß denn Genie
Friedrich der II. in seiner Zeit: Eine Tagung im Alten Rathaus
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Friedrich der II. in seiner Zeit: Eine Tagung im Alten Rathaus Von Gerold Paul Es hatte sich vor gut einem Jahr schon angedeutet, als Potsdamer Historiker „Im Schatten der Krone“ am gültigen Preußenbild kratzten – die neue Zeit braucht ja ihre eigenen Bilder. In dieser Publikation (bebra-Verlag) versuchten überwiegend jüngerer Wissenschaftler, die „sich zäh haltenden Klischees und Mythen“, wie sie sich mit der Selbstkrönung Friedrich III. / Friedrich I. um 1700 ergaben, kritisch zu hinterfragen: Viel zu lange habe die Historiographie den „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg“ vertraut, worin Friedrich II. als Autor ein wenig schmeichelhaftes Bild seines Großvaters zeichnete. Nun gerät er wohl selber in den Schatten seiner viel gerühmten Taten. Ende voriger Woche veranstaltete die „Gesellschaft für Geistesgeschichte“ (GGG) gemeinsam mit dem Moses Mendelssohn Zentrum – beide Uni Potsdam – und der „Wilhelm Fraenger Gesellschaft“ im Alten Rathaus eine Tagung, zu der sich Fachleute ganz unterschiedlicher Disziplinen aus ganz Deutschland angesagt hatten. „Der Philosoph von Sanssouci“, so ihr Titel, sollte sie „in seiner Zeit“ allesamt einigen. Exkurse in die Philosophie, wie etwa Brunhilde Wehingers Vortrag über „Friedrich II. und d“ Alembert“, standen neben eher kritischen Untersuchungen zur Rolle Kattes auf den 18-jährigen Kronprinzen (Heinz-Dieter Kittsteiner), man reflektierte Friedrich II. Verhältnis zur Berliner Aufklärung (Ursula Goldenbaum) und zu Moses Mendelssohn (Julius H. Schoeps), seine Bauten in Sanssouci (Karin Wilhelm) und, besonders eindrucksvoll, den musizierenden König an der Seite seines getreuen Flötenlehrers und Hofkomponisten Quantz (Albrecht Dümling). Alle Vorträge wurden von einem bis zu 60-köpfigen Auditorium mit großem Eifer diskutiert. Wie sehr aber, nach Ranke, Geschichte von den Bildern abhängig ist, die man sich von ihr macht, zeigte der richtungsweisende Einführungsvortrag von Michael Salewski, Vorstandsmitglied der GGG und Fregattenkapitän d. R., aus Kiel. Er stellte Friedrich II. weniger als glänzenden Helden, sondern als ruhm- und eitelkeitsstrebenden Monarchen dar, in seinen ersten Regierungsjahren mehr aus eigenem Interesse, später zum Wohle des Hauses Hohenzollern. Ruhm und Ehre standen ihm höher als alles sonst, meinte der Kieler im Kontext „Friedrich II. und der Krieg“. Er wollte, auf Teufel komm raus, in die Geschichtsbücher hinein, nichts weniger als die „Unsterblichkeit“. Krieg sei zwar grauenvoll, aber dem Untertanen möge es doch zur Ehre gereichen, für“s Vaterland zu sterben. Oft wären seine Friedensbeteuerungen „nur Fassade“ gewesen, andererseits hatte Le Grand Frederic immer eine gewisse Kapsel bei sich, welche er, bei der schweren Niederlage im Siebenjährigen Krieg, auch beinahe geschluckt hätte. Die Bilder wechseln eben von Zeit zu Zeit – für Salewski „mit zunehmender Skepsis“. Auch der Pragmatismus seines angeblich im Zeichen der Aufklärung stehenden Regierungs-Stils wurde hinterfragt. So doll war es nicht mit dem eigenen Philosophieren, im Gegenteil, sein „aufklärerisches Gehabe“ sollte eher den Erwartungen von Holbach, Voltaire, d''Alembert und anderen in Frankreich genügen. Seinen Vorleser La Mettrie hingegen habe er bei den Tafelrunden behandelt wie jener den Gundling. Erst am Lebensende sah Friedericus (der sich selbst nie "der Große" genannt hat), wie sehr er „im Feuer des Ehrgeizes“ gehandelt hatte – vielleicht hatte Friedrich Wilhelm I. auch gar nicht so Unrecht, als er seinem Filius den Umgang mit dem Lebemann Katte austreiben wollte? Interessant auch Friedrich II. Haltung zu den Juden: Nannte Mirabeau dessen „antisemitische“ Reglements auch „eines Barbaren würdig“, so war es in Preußen immerhin geltendes Recht. In anderen Gegenden des absolutistischen Deutschland galten Juden zur gleichen Zeit als vogelfrei. Obgleich aus calvinistischem Hause, tolerierte der Herrscher die drei christlichen Hauptströmungen, freilich nach seiner Façon, achtete aber sehr, dass sich Hallenser Pietisten nicht mit Hamburger Lutheranern in die Haare kriegten; nichts fürchtete er so, wie inneren Aufruhr. Nachdem am Freitag Anne Kitsch umständlich über die Throne besingende Hymnen-Dichterin Anna Louisa Karsch berichtet hatte, widmete sich der bekannte Wissenschaftler Albrecht Dümling den musikalischen Leistungen Friedrichs. Als Flötist hervorragend, bei seinem kompositorischen Schaffen eher am Geschmack seiner Zeit vorbei, hatte er in Quantz einen hoch bezahlten wie willfährigen Diener, welcher Noten zu liefern verstand, die dem absolutistischen Monarchen „aufbrausende Leidenschaften“ ersparte, auch davor fürchtete er sich. Ein Mann – 1000 Masken! Fazit: Der hochgebildete und eitle König, „bellizistisch und zweckorientiert“, ist in den Augen der Neuzeit offenbar weder ein „richtiger“ Aufklärer noch ein besonders talentierter Komponist, auch als Philosoph blieb er nur im Schatten Frankreichs. Mehr Mittelmaß denn Genie – auch nicht wenig für die Preußen von heute.
Gerold Paul
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