Kultur: Mehr Schatten als Licht
Lutz Friedel im art+life-shop / Auch in der Schiffbauergasse wird der Maler mit präsent sein
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„Goldelse“ wird sie liebevoll im Berliner Volksmund genannt. Doch die 67 Meter hohe Siegessäule, die ursprünglich vor dem Reichstag für die Feldzüge von 1864, 1866 und 1870/71 aufgerichtet und erst 1938 an den „Großen Stern“ im Tiergarten versetzt wurde, leuchtet auf den Bildern des Berliner Malers Lutz Friedel alles andere als golden. In dieses markante Symbol preußisch-deutscher „Siegesgeschichte“ schlägt auf dem Ölbild, das eine Entstehungszeit von fast zehn Jahren aufweist, ein riesiger Blitz ein und erhellt für einen kurzen Augenblick gespenstisch den blau-violett daliegenden Tiergarten.
Lutz Friedel stellt seit vergangenem Samstag unter dem Titel „Siegessäule mit Blitz" ein knappes Dutzend Stadtlandschaften in der Galerie art+life-shop in der Potsdamer Innenstadt aus. Doch alles andere als „Postkartenansichten" erwarten den Betrachter. Die Straße des 17. Juni, vom Maler mehrfach „porträtiert", durchzieht Berlin von der Siegessäule bis zum Brandenburger Tor. In dessen Nähe erinnert das aus Trümmerstücken von Hitlers Neuer Reichskanzlei erbaute Sowjetische Ehrenmal an die Toten der Roten Armee beim Kampf um Berlin. Auf der gigantischen West-Ost-Magistrale fanden immer wieder außergewöhnliche Ereignisse statt: Von den Nationalsozialisten im Zuge der Errichtung ihrer Welthauptstadt Germania auf die heutige Breite ausgebaut, wurde sie nach dem zweiten Weltkrieg zeitweise als Flugpiste benutzt und inzwischen bietet sie Raum für Großereignisse wie die Love-Parade oder die Fußball-WM.
Auf den Bildern Friedels sind jedoch weder jubelnde Menschenmassen noch der üppige Bewuchs des umgebenden Tiergartens auszumachen. Zumeist november-kahle Ansichten und mehr Schatten als Licht vermitteln insgesamt einen düsteren, beinahe apokalyptischen Eindruck. Kein Wunder, gerade bei solchen Motiven, wie dem ehemaligen jüdischen Kaufhaus Jonas, das nach der Enteignung zuerst den Nationalsozialisten als Verwaltungsgebäude und ab 1946 auch den Kommunisten als „Haus der Einheit“ und später als Institut für Marxismus-Leninismus diente.
Lutz Friedel, der 1948 in Leipzig geboren wurde, Meisterschüler von Bernhard Heisig war und 1984 in den Westen ausreiste, bevorzugt eine symbolische und allegorische Bildsprache. Das Thema Friedels ist, wie Kunsthistoriker Andreas Hüneke 1996 feststellte, „die trügerische, aus sich selbst heraus in Gewalt und Katastrophe umschlagende Idylle". Mit den jetzt gezeigten Bildern wird dem Besucher jedoch nur ein erster Eindruck seines vielschichtigen uvres vermittelt.
Im neuen FLUXUS+ Museum in der Schiffbauergasse sollen ab 2008 u.a. mit der Folge „Bilder aus dem Kopf" von 1991 und Holzplastiken aus den Serien „Köpfe" und „Ketzer“ weitere Bausteine hinzugefügt werden.
Ausstellung bis 28. Juli, wochentags geöffnet von 11 bis 19 Uhr, samstags von 10.30 bis 18 Uhr, sonntags von 13 bis 18 Uhr.
Astrid Priebs-Tröger
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