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Kultur: Mehr Wissen lohnt sich

Auftakt zu einer Reihe zum jüdischen Leben

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Es sind nur wenige: die Objekte im Potsdam Museum, die an jüdisches Leben in der Stadt erinnern. Vor allem durch Deportationen jüdischer Bürger in der NS-Zeit sind, sagt Wenke Nitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums, wichtige Dokumente verloren gegangen. Im Bestand der Einrichtung findet man unter anderem einen Talmud-Band, ein Gebetbuch und einen Stempel für koscheres Fleisch aus dem Besitz des Rabbiners Hermann Schreiber. Ein Gemälde von August Moores aus dem Jahre 1849 zeigt die Porträts der Geschwister Kann. Das Bankhaus Kann in der ehemaligen Nauener Straße (heute Friedrich-Ebert-Straße) war eines der wichtigsten Geldinstitute Potsdams. Von der Atmosphäre der Wohnung des Bankdirektors Kann berichten Fotografien.

Der Museums-Förderverein erwarb außerdem die Studienarbeit „Ausgrabungen und Inschriften“ antiker Stätten des in Nowawes geborenen Archäologen und Romanisten Ernst Nathan. Ihm gelang während der NS-Zeit die Flucht in die USA, seitdem nannte er sich Ernest Nash. Seine Publikation sowie weitere Dokumente bewahrt das Potsdam Museum auf.

Es war voll im Potsdam Museum, als Wenke Nitz am Donnerstagabend einen Vortrag zu „Spuren jüdischen Lebens in Potsdam“ hielt. Das Museum schien mit diesem Andrang nicht gerechnet zu haben, ständig musste für neue Sitzmöglichkeiten gesorgt werden. Der Donnerstag gab dabei nur den Auftakt für die Spurensuche-Reihe. Schnörkellos, ohne geschwätzig zu werden, hat sich Wenke Nitz in ihrem Vortrag – fast ein Parforceritt – durch 300 Jahre jüdische Stadt-Geschichte begeben. Mag sein, dass mancher Zuhörer bereits gut informiert war, doch eine solche Zusammenfassung war überaus anschaulich.

Die alles grundierende Farbe des Vortrags war: Juden haben das Leben in Potsdam geprägt. Ziemlich spät kamen sie in die Stadt an der Havel. 1671 hatte der Große Kurfürst in einem Edikt beschlossen, dass 50 reiche jüdische Familien aus Wien, die von den Habsburgern verfolgt wurden, sich in Potsdam und im Brandenburgischen ansiedeln dürfen. Wohlgemerkt: nur reiche Juden. Mit dem 1685 erlassenen Edikt von Potsdam betrieb dann der Kurfürst eine aktive Bevölkerungspolitik. Durch die Ansiedlung von Handwerkern sollte die Wirtschaft angekurbelt werden. Friedrich II. tolerierte Juden in Preußen allerdings nur, wenn sie sich den ambitionierten Zielen seines „Fabrikensystems“ anschlossen.

1740 wurde eine Jüdische Gemeinde gegründet, drei Jahre später der Friedhof am Pfingstberg eröffnet. Die erste Synagoge sowie die die Einrichtung eines rituellen Bades wurde 1767 in einem privaten Haus eingeweiht. Ab 1901 wurde die Synagoge am Wilhelmplatz neben der Hauptpost gebaut. Doch in der Pogromnacht des Novembers 1938 zogen SA- und SS-Horden durch Potsdam und zerstörten und plünderten jüdische Geschäfte in den Hauptgeschäftsstraßen. Die Synagoge wurde nicht in Brand gesetzt, weil sie direkt neben der Post lag – aber man entehrte sie.

Von den Pogromen gegen jüdische Geschäfte profitierte etwa Arnold Mainka, der das Kaufhaus Hirsch in der Brandenburger Straße bereits am 15. November 1938 übernahm. Und es kam natürlich noch schlimmer: Wenke Netz erwähnt auch das jüdische Alten-und Siechenheim in Neubabelsberg: Im Januar 1943 wurde es geschlossen, die Bewohner größtenteils deportiert. Auch nach Auschwitz.

Nach diesem ersten Vortrag mit dem notwendigen Überblicks-Charakter bis 1945 sollte sich Wenke Nitz nun gemeinsam mit anderen Referenten jeweils einem besonderen Thema widmen. Mehr Wissen über die jüdische Geschichte in Potsdam lohnt sich. Klaus Büstrin

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