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FREITAGS: MEINung

Klaus Büstrin über das Ertragen anderer Meinungen

Stand:

In dem Wort „Meinung“ steckt das kleine Wörtchen „mein“. Die Ansicht, die ich habe, ist meine eigene und damit ganz persönliche Ansicht. Sie muss nicht gleichzeitig auch die Ansicht anderer Menschen sein. Theoretisch ist uns das auch meist klar. Und dennoch sind wir, ehe wir uns versehen, wieder mitten im Streit um Meinungen und Ansichten. Manchmal fühlt man sich veranlasst, jemandem zu widersprechen, manchmal leise und nachdrücklich, dann wieder laut und ungerecht, ganz wo die Emotion uns hintreibt. Die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen in Deutschland, Erika Steinbach, meinte, als man gegen ihre Vorlesung rüpelhaft demonstrierte: „Hier zählt nur eins, die eigene Meinung“. Sie meinte damit diejenigen, die sie nicht zu Wort kommen ließen. Meinungsverschiedenheiten wollte man nicht mit überzeugenden Argumenten begegnen, sondern mit Provokation und Eskalation. Somit kann man sein Gegenüber nicht „bekehren“. Man wollte einen Konflikt. Doch der verhindert eine kritische Urteilsbildung und das Ertragen von Widersprüchen, bei dem auch andere Gedankenwege beziehungsweise Fakten hinterfragt und widerlegt werden können. Aber all das wollten an diesem frühen Dienstagabend an der Universität die Demonstranten anscheinend nicht. Das war ein klägliches Beispiel für Potsdamer Toleranz. Und kulturlos sowieso.

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