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Kultur: Metamorphosen im explosiven Hip Hop Style

Compagnie Käfig wurde bei den Tanztagen gefeiert

Stand:

Compagnie Käfig wurde bei den Tanztagen gefeiert Hip Hop in Worte fassen? Ein Lebensgefühl, das sich bis tief in die Poren festsetzt und sich nicht nur in Graffiti und Breakdance erschöpft? Möchte man den Abend der französischen Hip Hop Compagnie Käfig bei den Tanztagen beschreiben, verstummen die Worte, verfällt der Betrachter nur in eine freudig erregte Begeisterung, in eine Faszination angesichts der schier unerschöpflichen körperlichen Energie, die ihm entgegen prallt. Und doch war es gerade das Wort, das den Choreografen Mourad Merzouki zu seiner Choreografie „Corps est Graphique“ inspirierte. Nicht irgendein Wort, sondern ein schön geschriebenes, so wie es die Kalligrafen in Vollendung zelebrieren. Das grafische Universum als Gleichnis für die kantigen und fließenden, gerade und gebrochenen Bewegungen, Linien und Kurven? Der Zuschauer in der fabrik wird diesen Vergleich wohl nur unterschwellig, wenn überhaupt, gespürt haben. Er gab sich ohne kopflastige Vergleiche einfach dem Rhythmus von Musik und Tanz, der sich in einem wilden Strudel kraftvoll vereinte, unbeschwert hin. Die ersten, an die Wand projizierten Bilder, katapultieren die Fantasie erst einmal in die Welt der Computer, gleich einer Schaltzentrale für gemessene Strömungen. Amplituden schlagen aus, Zahnräder greifen ineinander. In diese grafische Animation fließen nun die Körper ein, mit kartonartigen Masken zum gesichtslosen Neutrum degradiert. Wie Roboter bewegen sie sich über die Bühne, im abgehackten Staccato, doch präzise wie ein Uhrwerk. Auch die Körper greifen ineinander, verzahnen, verharren, werden geschmeidiger. Zu den vier Gestalten gesellen sich weitere, auch sie fügen sich dem Rhythmus: ein immer neues Bewegungsvokabular anschlagend. Allmählich „häuten“ sich die Kastenköpfe – geben nacheinander ihr Geschlecht preis, entledigen sich der uniformen Masken. Diese Befreiung hat etwas Anrührendes, erinnert an ungelenke Fohlen, die ganz vorsichtig, aber mit großer Neugierde das Vertrauen zu ihrem Körper gewinnen. Diese Entfesselung geschieht auf einem geheimnisvollen großen Kasten, der den Einzelnen zum prächtigen Individuum erhebt. Die vier Männer strotzen in ihrer kraftvollen Herrlichkeit. Die vier Frauen fügen Anmut und Grazie und ebenfalls unbändige Energie dazu. Und natürlich kommt es, wie es kommen muss: Er und Sie beginnen zu flirten, lassen ihre Verführungskünste spielen. Er baggert, sie zeigt ihm die kalte Schulter, um im nächsten Moment einen verheißungsvollen Blick nach zu werfen. Schließlich öffnet sich die magische Kiste, Er und Sie versinken darin. Doch damit ist der von Perfektion und akrobatischer Finesse gezeichnete Tanz noch lange nicht beendet. Die Companie Käfig setzt in ihrer Choreografie immer neue Akzente, schafft es auf geradezu homogener Weise, Video und Tanz zusammen zu führen, um ihrer Sprache noch mehr Glanzlichter aufzusetzen. Am Ende gibt es einen Tanz der Puppen: zwittrige Wesen, in der das Er und Sie aufgehoben und eine neuer Körper geboren ist. Die Metamorphose geht weiter. Neue Wörter werden geschrieben. Doch bevor der „Kalligraf“ erneut zum Pinsel greift und schwungvoll seine Zeichen setzt, muss er sich erst einmal dem Jubel des Publikums ergeben. Auch für die Zuschauer wurde Hip Hop an diesem Abend zu einem Lebensgefühl, das sie euphorisch mitriss und sich schließlich im donnernden Applaus entlud. Besser als es jedes Wort beschreiben kann. Heidi Jäger

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