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Kultur: Metropolar

(Ost-)Moderne in Potsdam und anderswo

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„Metropolar“ – hinter diesem Namen verbirgt sich eine Initiative, die sich in Potsdam mit der Architektur der Ostmoderne beschäftigt. Ein Zusammenschluss von Künstlern, Architekten und anderen an der Stadtentwicklung Interessierter. „Wir sind eine kleine Initiative, die Unterstützung gut gebrauchen könnte“, sagt Künstler Tom Korn. Dennoch gelingt es der Gruppe, die ein Forum für einen unverkrampften Umgang mit der Nachkriegsarchitektur bieten möchte, in einen öffentlichen Diskurs zu treten, wie jetzt mit dem zweiten „MetropolarFestival“.

Zum Auftakt gab es am Donnerstag im Filmmuseum ein vor allem von jungen Leuten besuchten „Metropolar“-Filmabend. Zu sehen war der 2011 gedrehte Dokumentarfilm „Zlin – Die gelebte Utopie“ von Alexander Binder über die Vision einer funktionalistischen Stadt sowie der Spielfilm „Hunger auf Leben“ von Markus Imboden über die DDR-Schriftstellerin Brigitte Reimann und ihren unvollendeten Roman „Franziska Linkerhand“.

„Zlin – Die gelebte Utopie" führt nach Mähren, wo der Schuhfabrikant Thomas Bata in den 20er Jahren eine Art idealer Industriestadt schuf, in der der Architekt Le Corbusier später die Verwirklichung seiner Idee der „funktionalen Stadt“ sah. Bata, ein genialer Unternehmer und ein früher Global Player, war nicht nur allen technischen Neuerungen und Ideen der Moderne gegenüber aufgeschlossen. Dass er 1923 Bürgermeister von Zlin wurde, gab ihm die Möglichkeit, die Stadt nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Mit großem Geschick realisierte er das Modell einer autarken Stadt, der die Krisen der 20er Jahre nichts anhaben konnten. Zlin wurde als „Staat im Staat“, als „kleines Amerika in der Tschechoslowakei“ bezeichnet. Unter dem Motto „Kollektiv arbeiten – individuell wohnen“ schufen Batas Architekten eine Stadt, nach deren Vorbild mehr als 30 Städte auf der ganzen Welt gebaut wurden, unter anderem Vernon in Frankreich und Zruc in Polen. Wenngleich dramaturgisch zerfasert, gibt der Film doch ungewöhnlich spannende Einblicke in die verschiedensten Seiten des Bata-Konzern-Universums.

Wie Batas Idee von „Kollektiv arbeiten – individuell wohnen“ zu „schnell und billig“ mutieren konnte, machte auch „Hunger auf Leben“ nach den Tagebüchern von Brigitte Reimann deutlich, die in ihrer Zeit in Hoyerswerda ihren Roman über eine junge Architektin begann, die mit ihren idealistischen Ansprüchen an Architektur in der DDR scheitert.

Das von den „Metropolar“-Mitgliedern Tom Korn und Henry Hajdu vorgestellte weitere Festivalprogramm vom 15. bis 17. Juli enthält eine Fülle von Veranstaltungen, unter anderem die Ausstellung „Licht, Luft und Liebe“, die am 14. Juli im Kunsthaus „Sans titre“ in der Französischen Straße eröffnet wird, sowie Vorträge, thematische Stadtspaziergänge, Workshops, die Tom Korn als „Wahrnehmungswerkstätten“ bezeichnete. Sie sollen zur Sensibilisierung für die Stadt, „wie sie gerade noch besteht“, beitragen.

Der interessierte Filmabend-Besucher lernte nicht nur, was urbane Aktivisten sind, nämlich Menschen, die die Stadtentwicklung in die eigenen Hände genommen haben, um ihre Ideen zu verwirklichen. Er kann auch bei einem „Stadtgespräch“ die Gelegenheit nutzen, sich von den Erfahrungen erfolgreicher Projekte aus Hamburg oder Potsdam ermutigen und anleiten zu lassen. Gabriele Zellmann

www.metropolar.org

Gabriele Zellmann

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