
© Oliver Dietrich
Kultur: Mexikanische Dänenpolka
Die dänische Band The Sexican brachte eine musikalische Fiesta ins Waschhaus
Stand:
Ach, Mexiko, was verbindet man nicht alles mit diesem Land. Sombreros, Tequila, tanzende Beerdigungen, unzählige Totenschädel – und natürlich die Mariachi-Musik: Gitarre und Trompete, die in schmachtenden Stücken aus dem mexikanischen Leben erzählen.
Am Freitagabend gab es dieses plakative Mexiko-Bild musikalisch im Waschhaus, als The Sexican spielten. Mexikaner? Mitnichten: Waschechte Dänen standen auf der Bühne. Nun ist Dänemark, das ja völlig zu Unrecht als der langweilige, verlängerte Arm Schleswig-Holsteins gilt, nicht gerade für musikalische Innovationen bekannt. Warum eigentlich nicht? The Sexican immerhin schafften es außerordentlich gut, Partystimmung auf die Bühne zu kriegen. Wen scherte es denn, dass die traditionelle mexikanische Musik dabei so gut wie überhaupt keine Rolle spielte, höchstens etwa in dem Rahmen, der in der Pop-Kultur für besonders mexikanisch gehalten wird. Aber musikalisch hatten die Jungs einiges auf dem Kasten: Das war zwar eher Polka und Klezmer mit mexikanischer Trompete, aber richtig gut gemacht. Nein, eigentlich wurde kein musikalisches Genre mit potenziellem Herumhüpffaktor ausgelassen.
Potsdam sei keine ihm unbekannte Stadt, erzählte der überaus redefreudige Sänger Mike Hecchi gleich zu Anfang. Er sei schon mal hier auf einer Konferenz über globale Erwärmung gewesen. Wie klein die Welt doch ist! Das Waschhaus-Publikum – ein bunter Querschnitt durch alle Generationen – verzieh ihm schnell das Mitteilungsbedürfnis, wurde es doch dafür mit überaus tanzbarer Musik versorgt. Und vor allem waren The Sexican lustig anzusehen: Die dänische Gute-Laune-Garantie versteckte sich unter breitkrempigen Sombreros, Schwarz war die dominierende Farbe – lediglich der Gitarrist fiel aus dem Rahmen, mit Querstreifen, Schnurrbart und Baskenmütze konterkarierte er damit eher das kollektiv vereinfachte Bild des Franzosen. Absicht? Na, mit Lederhose und Trachtenjacke hätte er sich wohl eher nicht nach Potsdam getraut.
Dass aus dieser Band mal so ein erfolgreiches Projekt werden würde, war gar nicht so selbstverständlich – immerhin gründete sich das Quintett 2006 eher aus Spaß an der Freude: In einem Sommercamp für Musiker unter der Leitung des New Yorker Singer-Songwriters Neill C. Furio sollten Protestsongs geschrieben werden, und zwar mit Klezmer-, Gipsy- und Mariachi-Einflüssen – die Geburtsstunde der Band. Nun, acht Jahre später, ist The Sexican immer noch unterwegs und klappert dabei so einige Festivals ab, darunter das Budapester Sziget im kommenden August. Und jetzt steht mit dem neuen Album auch die Tour an, die neben Skandinavien und Europa im vergangenen April auch nach Mexiko führte – und nun eben ins Waschhaus.
Aber immerhin: Getanzt und gesprungen wurde nicht nur auf der Bühne im Waschhaus, sondern auch munter davor. Und wer so viel partytaugliche Musik mitbrachte, brauchte es mit der Authentizität auch nicht so genau nehmen. Wenn The Sexican Spanisch singen – oder auch mal Englisch oder Französisch –, dann bleibt auch das irgendwie Dänisch: Im Song „La muñeca" ging es irgendwie um Schnaps, der vier Jahre gelagert wurde – vielleicht musste da auch das Etikett einer Tequila-Flasche als Textquelle herhalten, wer weiß. Überhaupt waren hier durstige Dänen am Werk: Das deutsche Wort „Prost" beherrschte die Band akzentfrei, wie sie eindrucksvoll immer wieder demonstrierte. Dabei wurde der Sänger immer besser, je mehr Bierschlücke er nahm: Von rauem Leiden im Stil von Lee Marvin bis zum anpeitschenden Gesang nahm er alles mit. Das konnte richtig theatralisch werden – inklusive sich auf den Rücken werfen und leiden.
Aber bestimmt war das Passendste für diesen viel zu schnell vorübergehenden Abend, einfach mal ein bisschen in Fiesta-Laune zu Polka-Klängen herumzuhüpfen. Das hat man ja auch nicht so oft, auch nicht in Dänemark. Und Hand aufs Herz: So eine Band würde man doch gern mal zu seiner Beerdigung spielen lassen.
Oliver dietrich
Oliver dietrich
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