zum Hauptinhalt

Kultur: Mimosen unterm Musengebälk

„Das Brett“l“ erlebte seine Taufe

Stand:

„Das Brett“l“ erlebte seine Taufe Man kennt sich. Wie in einer Großfamilie winken sich die Gäste über den Tisch hinweg ein freundliches Hallo zu, einige begrüßen sich mit Handschlag. Die seit 1997 in Potsdam beheimatete Reihe Große Kleinkunst hat sie offensichtlich zu einer Fangemeinde zusammengeschweißt. Und so musste auch der neue Veranstaltungsort - das Brett“l im Alten Stadtwächter - nicht erst Lehrgeld zahlen. Man vertraute auf Bewährtes an anderer Stelle und zog zuversichtlich mit in das noch jungfräuliche Musengebälk. Schon zwei Stunden vor Veranstaltungsbeginn sind die dicht gestellten rustikalen Stühle gut besetzt, lassen sich die überwiegend älteren Besucher das Steak und den Tafelspitz munden. Die schließlich herein marschierenden vier „Mimosen“, die am Sonnabend das Brett“l einweihen, verstehen sich offensichtlich neben der Musik ebenfalls aufs gute Essen. Ihre teils stattlichen Bäuche haben sie im feinen schwarzen und längs gestreiften Zwirn verpackt. Der aufgezwirbelte Schnauzer, die zum Zopf gebundene, schon etwas spärliche Haarpracht und die keck aus der Brusttasche lugenden „Federboas“ lassen auf einen Abend mit sympathischem Augenzwinkern hoffen. Zuerst aber haben die Gäste aus Berlin pünktlich zur Premiere einen Blumentopf bestellt: nicht nur musikalisch im Geiste ihrer Urväter - den Comedian Harmonists – sondern auch ganz greifbar zum Überreichen an den unermüdlichen Kleinkunst-Förderer Gerhard Wruck. Einige ihrer kraftvollen a-capella Gesänge haben bereits Jahrzehnte auf dem Buckel, und man muss sich schon auf die Renaissance dieser nicht gerade tiefschürfenden Inhalte und arteigenen Rhythmen einlassen wollen, soll sich der Abend genüsslich gestalten. Wer sich dazu entschließt, vor dem nostalgischen Ereignis achtungsvoll einen Diener zu machen, dem liefern die Mimosen vergnüglich-unterhaltsame Kurzweil. Die Vier verstehen ihr Handwerk, parlieren vollbrüstig in allen Tonlagen ein Repertoire zwischen Modetang(o)a und volkstümlicher Hitparade und nehmen sich dabei gar nicht mimosig auf die eigene Schippe. Mit ihren vokalen Neuschöpfungen blödeln sie sich munter durch die Nichtigkeiten des Lebens – und haben die Lacher auf ihrer Seite. Die Baritonisten Rainer Neumann und Wolfgang Seher arrangieren sich trefflich mit Tenor Rainer Keck und den aus tiefster Tiefe einfallenden Horst Glang. Respektierlich und charmant kokettieren sie mit dem Publikum, das sie schnell an ihrer rapenden und rockenden „Schlager“-Angel haben. Unter drei Zugaben kommt das Quartett nicht davon – und schon wird im Programmheft nach dem nächsten Highlight geblättert. „Wir sehen uns doch wieder“ - so die unmissverständliche Ansage der Tischnachbarn. Wer kann da wohl nein sagen? Heidi Jäger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })