zum Hauptinhalt
Jede neue Rolle ist wie ein weißes Blatt. Die Schauspielerin Birgitt Minichmayr.

©  Manfred Thomas

Von Andrea Schneider: Mit Besessenheit zum Detail

Die Schauspielerin Birgitt Minichmayr zum Filmgespräch im Filmmuseum

Stand:

Gitti und Chris schauen sich an mit zaghaftem Lächeln. Dann wird die Leinwand schwarz und der Abspann von „Alle Anderen“ beginnt und man sitzt da, seltsam angerührt, mit diesem Gefühl von Erstaunen und Verzweiflung und den Fragen, was nun wird mit den beiden. Es scheint unmöglich, dass jetzt das Licht angeht und man sich im Kinosaal des Filmmuseums wiederfindet, in dem sofort im Anschluss an diesen Film ein Gespräch mit Birgitt Minichmayr, der Darstellerin von Gitti, stattfinden soll. Eine seltsame Erleichterung befällt einen, als man hört, der Gast des Abends würde sich verspäten. Denn plötzlich bekommt man fünf Minuten geschenkt, in denen man sich kurz sammeln und sich, vielleicht mit seinem Nachbarn austauschen kann über das eben Geschehene auf der Leinwand. Es ist ein wenig Zeit, die man einfach braucht.

Und dann ist man wieder richtig da und es ist Donnerstagabend und das kleine Publikum begrüßt die hochgelobte Jungschauspielerin, der das Filmmuseum zu Beginn dieses Jahres seine erste Werkschau widmet.

Birgitt Minichmayr, Jahrgang 1977, hat ihre schauspielerische Arbeit am Theater begonnen, bevor sie in ersten Rollen auf der Leinwand zu sehen war. Man trifft sie an der Seite von Harvey Keitel in „Taking Sides – Der Fall Furtwängler“ und im hochgelobten „Das weiße Band“ von Michael Haneke, dessen Arbeit sie sehr schätzt. Den Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere als Filmschauspielerin hatte sie dann im letzten Jahr in Maren Ade’s Film „Alle Anderen“, in dem sie die Rolle der Gitti spielt, für die sie auf der Berlinale mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet wurde.

Wer sie jetzt dort vorn auf der Bühne sieht, dem fällt es nicht schwer, in dieser lebhaften, jungen Frau auch einen kleinen Teil der auf der Leinwand verkörperten Figur zu entdecken. Der direkte Blick, das freche Selbstbewusstsein, die geschürzten Lippen. Als ihr Interviewpartner, Johannes Leisen, Dramaturg und Filmpublizist, sie gleich zu Beginn ihres Gesprächs nach ihrer Rollenarbeit befragt, bestätigt sich der Eindruck, denn der Regisseurin Maren Ade war es wichtig, dass die Hauptdarsteller ihres Films ihre Rolle unbedingt auch selbst entwickeln sollten. Das kam Birgitt Minichmayr sehr entgegen, denn stures Auswendiglernen und das Einstudieren einer Person liegen ihr nicht. Es ist ihr wichtig, ihre Rollen aktiv mitzugestalten, sagte sie im Filmgespräch.

Damit von Anfang an eine solche Zusammenarbeit möglich ist, hat Birgitt Minichmayr es sich zur Gewohnheit gemacht, sich vor jedem neuen Projekt sorgfältig vorzubereiten. Dazu gehört nicht nur das Einlesen der Rolle, sondern auch das Casting. Dabei lässt sich Birgitt Minichmayr gern überprüfen, überprüft aber auch selbst. Ziel und Arbeitsmoral von Regisseur und Darsteller sollten übereinstimmen, denn mit den Jahren hat die junge Frau gelernt, dass präzises, zielstrebiges Arbeiten ihr wichtig geworden sind. Sie gibt zu, eine Besessenheit zum Detail zu haben. Bekommt sie eine neue Rolle, ist das wie ein weißes Blatt Papier, das sie mit sich beschreiben soll. Ihre ganz besondere Eigenheit dabei ist das Ausfeilen des Ganges einer von ihr gespielten Person. Mit den notwendigen Informationen ausgestattet, geht sie daheim vor den Spiegel und versucht, eine völlig eigene Art des Gehens für die Figur zu entwickeln. Und auch die Haare.

Sie erzählt, dass sie wegen ihrer Haare fast die Gitti verloren hätte, hatte sie sich doch, etwas unüberlegt, wie sie selbst zugibt, für die vorangegangene Rolle in „Kirschblüten-Hanami“ die Haare raspelkurz geschnitten, weil sie das Gefühl hatte, das genau diese Frisur der Figur in „Hanami“ entsprach. Maren Ade, deren Film Minichmayrs nächstes Projekt war, zeigte sich wenig begeistert und die Schauspielerin, die die Rolle unbedingt wollte, konsumierte jede Menge Haarwuchsmittel, um zu retten, was noch zu retten war. Da gab es für sie keine Alternative, denn der Film entsprach ihrer Vorstellung von gutem Kino, das den Zuschauer fordert. Auch privat lässt sie sich ungern berieseln, das überlässt sie anderen.

Schlussendlich blieb die Frage nach der Kostümierung. Die ist ihr wichtig. Sie liebt es, ganz Frau, sich zu verkleiden, und nach der Gefahr des vollkommenen Verschwindens in einer Figur befragt, antwortet sie selbstbewusst, dass immer auch noch ein Stück von ihr selbst erkennbar bleibt. Für den Zuschauer ist es dann ein Glück, wenn man sie auf der Bühne im Filmmuseum sitzend so erzählen sieht, mit Händen und Füßen, authentisch und voller Energie.

„Alle Anderen“ ist noch heute und am morgigen Sonntag, jeweils 19 Uhr, im Filmmuseum zu sehen

Andrea Schneider

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })