Kultur: Mit dem Finger in unbekannter Wunde Druckgrafiken und Plakate von Manfred Butzmann bei Burstert,Albrecht
Sein Name ist Manfred. Doch er könnte auch Thomas heißen.
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Sein Name ist Manfred. Doch er könnte auch Thomas heißen. Das deutete der Redner nur an, den man Herrn Thierse nennt, manche sagen auch Wolfgang. Er hatte kurz zuvor jemanden getroffen, der einmal Joseph hieß, seit einiger Zeit freilich Benedikt genannt wird. Zu viele Namen? Dann der Reihe nach: 1942 wurde Manfred Butzmann in Potsdam geboren, absolvierte hier sein Abitur und nahm den ersten anregenden Zeichenunterricht bei Suse Ahlgrimm, lernte und arbeitete als Offsetretuscheur in Berlin und Potsdam, besuchte den Malzirkel von Magnus Zeller in Caputh, studierte von 1964-69 an der Kunsthochschule in Weißensee und arbeitet seit 1970 als frei schaffender Grafiker in Berlin. Schon damals hatte Norbert Albrecht Arbeiten von ihm gesehen und erinnerte sich durch die letztjährige Grafikmesse der Sperlgalerie wieder an Butzmann. Zum Ende der 80er Jahre traf der Grafiker auf Wolfgang Thierse, der seinerseits den Musikwissenschaftler Albrecht seit den frühen 70er Jahren kannte. Gemeinsam ist den dreien der nachdenklich-kritische Blickwinkel auf die Welt, jene Sichtweise, die typisch ist für die gut 50 grafischen Arbeiten und die zahlreichen Plakate, die derzeit in der Galerie Burstert,Albrecht zu sehen sind. Auf den ersten Blick erscheinen Butzmanns Blätter nicht so hintergründig, wie man sie auch lesen kann. Aber vor „Schinkels Elisabethkirche“, einer Aquatinta, ahnt man, was Thierse in seiner Vernissagenrede meinte, als er Butzmann einen eigensinnigen, ja störrischen Menschen nannte. Wie dürfte es 1982, im Entstehungsjahr des Blattes, gedeutet worden sein, dass sich über der ruinösen Kirche ein schwarzes Kreuz hoch in den hellen Himmel reckt? Angesichts der jüngsten Bemühungen um das Gebäude wirkt der schöne, in bedrohlich-heimeliges Dunkel getauchte Druck historisch, aber auch als zeitlos gültige Prophetie. Es ist jedoch nicht Butzmanns Art, sich unzweideutig und eindeutig politisch zu äußern. Dann wären seine Arbeiten Propaganda. Und das sind selbst seine Plakate nicht, auch weil ihnen jedes Pathos mangelt. Auf es kann der Grafiker schon deswegen verzichten, weil nicht die Masse, sondern das Individuum sein idealer Betrachter ist. Ihn zieht er schon mit seinen häufig kleinen Formate in einen persönlichem Dialog. Butzmanns Weg ist das Andeuten, das Aufmerksam-Machen und der Gedankenanstoß. Dafür fängt er immer wieder bei nachgerade alltäglichen und oft gesehenen Dingen an. Jeder kennt das Berliner Denkmal Friedrichs des Großen, jeder die Gebäude der Humboldt-Universität und jeder das große Hochhaus des Welthandelszentrums am Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße. Aber wie Butzmann das Denkmal in das Zentrum des kleinen Querformates und über die uniforme Masse der geparkten Trabis gerückt hat, wie er die barocke, hell angestrahlte Uni-Fassade mit dem düster grauen DDR-Hochhaus konfrontiert, eröffnet neue Perspektiven und lässt nachdenken, etwa über Symbole der Macht und ihre Beständigkeit in Laufe der Zeit. Doch erscheint das Blatt von 1985 nicht zunächst als harmlose Vedute? Wie ein genaues Abbild wirkt zuerst auch die Ansicht vom „Bahnhof Friedrichstrasse“, hätte Butzmanns geschärfter Blick 1978-79 nicht die Hässlichkeit des Ortes hervorgehoben. Feine Ironie liegt über dem „Anhalter Puff“ von 1993, einem der größeren und farbigen Offset-Drucke, auf dem sich der gesamtdeutsche Dreiklang Schwarz-Rot-Gold in den drei Häuserfronten wieder findet. Ein Spurensucher und -leser ist der Grafiker in seiner Umgebung und hält dafür den wachen Blick auf Großes und Kleines gerichtet. Da sind „Meine Kinderschätze“ in Streichholzschachteln verwahrt. Wer erinnert sich nicht an Ähnliches aus eigenen Kindertage? Oder es werden Dinge des alltäglichen Gebrauches zum Gegenstand liebevollen Hinschauens. Auf kleinen Blättern sind „Taschenmesser“, „Portemonaie“, „Brille“, oder „Uhr“ in Stillleben inszeniert. Als „Heimatkunde“ überschrieb der Grafiker eine Ausstellung in den 1990er Jahren. Er betätigt sich als Heimatkundler im besten Sinne, indem er ohne Dünkel häufig Gesehenes und zuweilen Übersehenes in den Blick rückt, indem er aufzeichnet, aufmerksam macht und das Bewusstsein seiner Betrachter schärft. Deswegen kann man Manfred Butzmann einen zweiten Thomas nennen: weil er mit seinen zeichnenden und radierenden Fingern auf Stellen deutet, die im Alltäglichen leicht übersehen werden. Götz J. Pfeiffer bis 1. Oktober, Mi-Sa 11-18 Uhr. Hausmusik „Best of the Melina M. Show“ am 25. September, 17 Uhr, Eintritt frei.
Götz J. Pfeiffer
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