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Auch schon „Gaga“. Tomer Heymann hat durch seinen Film zum Tanzen gefunden. Seine Doku über Ohad Naharim zeigt den Choreografen von seiner persönlichen Seite.

© Manfred Thomas

Kultur: Mit dem Körper lächeln

Der israelische Regisseur Tomer Heymann stellte seinen Film „Mr. Gaga“ im Thalia Kino vor

Von Sarah Kugler

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Ein Zittern geht durch den ganzen Körper. Sekundenlang, fast eine Minute steht die Tänzerin unter Strom, dann fällt sie. Klappt einfach zusammen und kracht auf den Boden. Doch nicht etwa aus Schwäche, sondern als Teil einer Choreografie von Ohad Naharin, Leiter der Batsheva Dance Company und Protagonist des Dokumentarfilms „Mr. Gaga“ von Tomer Heymann. Am vergangenen Dienstag war der israelische Regisseur zu Gast im Thalia Kino Potsdam und stellte seinen Film vor – der ihn selbst zum Tanzbegeisterten gemacht hat, wie er erzählte.

Mit 21 Jahren bekam er von seiner Cousine Karten für einen Auftritt der Batsheva Dance Company geschenkt, zu der er zunächst gar nicht hingehen wollte. „Ich dachte, ich würde mich furchtbar langweilen, aber sie hat so lange genervt, bis ich doch gegangen bin“, so Heymann. Der Auftritt habe ihn so beeindruckt, dass er immer wieder hinging. „Diese Energie ging zack in mein Herz und ich wollte unbedingt einen Film darüber machen.“ Gerade auch deswegen, weil über Ohad Naharin bis dato noch keine Dokumentation gemacht wurde. Dabei ist der 1952 im israelischen Kibbuz Mizra geborene Künstler weltberühmt und wird weltweit als einer der herausragenden zeitgenössischen Choreografen gefeiert. Mit seiner ungewöhnlichen künstlerischen Vision machte er die Batsheva Dance Company international bekannt und entwickelte eine komplett neue Bewegungssprache: Sein „Gaga“-Stil – der auch in der fabrik Potsdam als Kurs angeboten wird – sucht nach der Interaktion zwischen den Beteiligten, die sich gemeinsam einen Bewegungsraum von Freiheit und Wohlbehagen erarbeiten. Heymanns Film zeigt sehr intensiv, wie viel Arbeit hinter den kraftvollen Auftritten der Batsheva Dance Company steckt, wie Naharin zu dem gefeierten Choreografen wurde und zeigt ihn auch als Menschen jenseits der Bühne.

Private Videoaufzeichnungen, die Heymann in seinen Film mit eingearbeitet hat, zeigen etwa Naharins erste Frau Mari Kajiwara, die 2002 an Krebs starb. Die Szenen, in denen sie nicht nur tanzt, sondern auch mit der Familie am Tisch sitzt oder mit Tränen im Bett liegt, haben Naharin beim Sehen des Films sehr berührt, wie Regisseur Heymann erzählte. Der Verlust seiner Frau war auch mit ein Grund, weshalb Naharin zunächst keinen Film über sich wollte. „Abgesehen davon, dass er nicht über Vergangenes sprechen wollte, hatte er auch ein Problem damit, dass der Film die Tänze für die Ewigkeit in immer den gleichen Bewegungen festhält“, so der Regisseur. „Für ihn besteht die Kraft des Tanzes im Verschwinden, was war, wird es nicht noch einmal exakt so geben.“ Von dem fertigen Film, den Heymann im Nachhinein der verstorbenen Mari Kajiwara widmete, war der Choreograf dann aber doch sehr beeindruckt, wie Heymann sagte. „Für mich ist die wichtige Botschaft auch, dass Tanz eine heilende Wirkung hat und für jeden etwas ist“, so der Regisseur. „Ohad hat immer gesagt, Tanz habe gar nichts mit der Bühne zu tun, sondern damit, bei sich selbst zu sein.“ Eine Erkenntnis, die sich Naharin hart erarbeiten musste, als er nach einer Verletzung nicht einmal mehr laufen konnte. In mühevoller Kleinarbeit eroberte er sich damals seinen Körper zurück und fand somit zu seinem heutigen Tanzstil. „Ich habe es selbst ausprobiert und es ist großartig“, verriet Regisseur Heymann am Dienstag. „Es lässt deinen Körper lächeln.“ Sarah Kugler

„Mr. Gaga“ läuft täglich im Thalia Kino, Rudolf-Breitscheid-Straße 50.

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