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Von Heidi Jäger: Mit einem Dude ist man selten allein

„Cuba libre“-Premiere im Nachtboulevard: ein Theaterabend mit Musik von und mit Philipp Mauritz

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Als er in Bademantel und Jogginghose, mit angeklebtem Bart und langen Haaren das nächtliche Berlin durchkämmte, schrie ihm eine Passantin aufgeregt entgegen: „Hey Dude“. Offensichtlich führte die Maskerade hinter der dunklen Sonnenbrille zum Erfolg. Denn Schauspieler, Sänger und Autor Philipp Mauritz ruft in seinem Stück „Cuba libre“ den Lebenskünstler und faulsten Sack auf Erden aus seinem Lieblingsfilm „The Big Lebowski“ als Schicksalsboten auf den Plan. Mauritz verwandelte sich für eine Nacht in den Dude, der Kultfigur der Coen-Brüder, fuhr in fremder Haut U-Bahn, redete mit einem Betrunkenen, ging in den Spätverkauf – und wurde dabei gefilmt. Videoaufnahmen, die den musikalischen Theaterabend, der Freitag im „nachtboulevard“ des Hans Otto Theaters seine Uraufführung hat, um eine weitere Facette bereichern sollen, wie Philipp Mauritz nun im ganz braven Outfit und bartlos bei einer Tasse Kaffee vor Probenbeginn erzählt.

Doch langsam: Eigentlich geht es in „Cuba libre“ vor allem um Edgar, den Loser, dem immer wieder die absurdesten Sachen passieren. Er arbeitet in einer Kneipe und ist Statist am Theater. Als er in einer Rolle erschossen werden soll, klemmt die Pistole. Also wird er kurzerhand von seinem Gegenüber erwürgt. Dann lernt er Lisa kennen. Doch die geht fremd. Schließlich gerät er in einen Banküberfall und Edgar fliegen ein paar Geldscheine direkt vor die Füße. Schnell steckt er sie ein und leistet sich einen Flug nach Kuba. Dort warten weitere Unwägbarkeiten, einschließlich Bespitzelung und Knast, aber auch die große Liebe auf ihn. Zum Glück erscheint dem unsicheren Edgar in schwierigen Situationen immer wieder der Dude, sein selbstbewusstes Ich.

Wie wohl bei den meisten literarischen Erstlingen fließt bei „Cuba libre“ neben viel Fantasie auch Selbsterlebtes des Autors ein: Theatergeschichten, Liebeserfahrungen. Das Schlüsselerlebnis, das Philipp Mauritz zum Romanautor werden ließ, war jedoch seine Reise zu Verwandten nach Kuba. Seitdem schmorten „Der Dude“ und Edgar mitsamt ihrem „Cuba libre“ im Schreibtisch. Bis im vergangenen Sommer ihr Erfinder genügend Freiraum hatte, um die Geschichte tüchtig auszudünnen und fürs Theater umzuschreiben. Nun erscheinen seine Helden, vorwärtsgetrieben durch neun von Mauritz selbstgeschriebene und gesungene Popsongs, endlich im Rampenlicht. Da die Aufführungen im „nachtboulevard“ nur das „Kleingedruckte“ auf dem Programm-Flyer des Theaters sind, muss sich Philipp Mauritz kräftig drehen, um seinen Abend nicht nur im Alleinritt auf der Bühne zu bestreiten, sondern auch selbst zu bewerben. Also klopft er kräftig auf Holz, wenn er an die bevorstehende Premiere denkt.

Seit einem dreiviertel Jahr predigt der Mime, der nur schwer auswendig lernt, den Text ständig vor sich her, wann immer sich eine Lücke auftut. Denn ganz „nebenbei“ hat Philipp Mauritz ja auch noch auf der großen Bühne sein Tun: ob in „My fair Lady“, „Der Revisor“ oder „Der Turm“. Der 41-jährige Baden-Württemberger, der als einer der wenigen Schauspieler nach seinem Engagement durch Ralf-Günter Krolkiewicz auch von Uwe Eric Laufenberg und dann von Tobias Wellemeyer übernommen worden ist, hob schon einige Schwergewichte auf die Bühne: Er war der bucklige Butler Riff Raff in der „Rocky Horror Show“, der zugeknöpft-verklemmte Baron von Innstetten in „Effi Briest“, der verschlagene Macky Messer in der „Dreigroschenoper“. „Ehrlicher Weise muss ich sagen, dass ich in der vergangenen Spielzeit in weniger großen Rollen zu sehen war. Aber es kommt wieder anders“, meint er zuversichtlich. Denn mit „Adams Äpfel“ ist er ab 4. März als Kleptomane Khalid gefordert. Und auch dem John Proctor in Arthur Millers „Hexenjagd“, die am 21. April Premiere hat, will beigekommen sein.

Doch zuvor muss sein erster Soloabend, an dem ihm Gitarrist Mark Eisenschink eng zur Seite steht und auch andere Kollegen mal Rat gebend draufschauen, zum glücklichen Ende gebracht werden. „Das letzte Lied wird sehr dramatisch“, hält sich Philipp Mauritz spannungsschürend bedeckt, was den Ausgang seiner Selbstfindungsgeschichte betrifft, die man mitunter erst rückblickend als vorwärtstreibend für die eigene Entwicklung begreift.

Ihn selbst schaute das Schicksal bislang sehr freundlich an. Anders als Edgar wusste der in Karlsruhe aufgewachsene ambitionierte Künstler genau, was er wollte, auch wenn er zwischen einer Musical- und Schauspielausbildung hin- und hergerissen war. Mit zehn Jahren begann er Geigenunterricht. Klavier und Gitarre brachte er sich selber bei. Gesangsunterricht nimmt er bis heute.

Seine Karriere verlief geradezu bilderbuchmäßig. Schon im Schultheater wurde man auf ihn aufmerksam und noch ohne Hochschulreife sollte er ans Stadttheater Heilbronn engagiert werden. Doch Philipp Mauritz geht den Sachen gern auf den Grund und lernte in München das Schauspielhandwerk auch akademisch. Er spielte danach am Prinzregententheater München, kam an die Stadttheater Würzburg und Regensburg.

In Potsdam ist er nun das zehnte Jahr, was für die in Berlin lebende Familie natürlich Sicherheit bringt. „Zehn Jahre beim gleichen Intendanten wären aber auch schlimm. Doch in Potsdam kam mit neuen Leuten immer neuer Schwung“, sagt er in seiner ganz natürlichen, unaufgeregten Art. Den anfänglich schweren Stand Wellemeyers beim Publikum kann Philipp Mauritz durchaus nachvollziehen. „Es war nicht der geeignete Spielplan. Ich finde es gut und richtig, riskante Projekte zu machen, aber es ist unklug zur Eröffnung einer Intendanz“, hält er mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. Er liebt seinen Beruf, auch wenn das Schauspielerdasein ein hartes Brot ist und man immer in Abhängigkeit lebt. Und wenn man wie jetzt die beiden kleinen Töchter ebenso wie das Joggen vernachlässigen muss. „Mein Solo lässt mich nicht mehr los. Ablenken geht gar nicht.“

Premiere Freitag, 18. Februar, 21.30 Uhr, im „nachtboulevard“ des Hans Otto Theaters, Reithalle, Schiffbauergasse

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