
© A. Sommer/I Confidenti
Kultur: Mit heftiger Fantasie
Premiere des musikalisch-szenischen Lebensbildes über Anna Louisa Karsch im Schlosstheater
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Ein Naturtalent war die Dichterin Anna Louisa Karsch. Als Lyrikerin machte sich die aus bäuerlicher Herkunft Stammende einen Namen, vor allem mit Jubelgedichten für Friedrich den Großen. Auch der Siebenjährige Krieg wurde von ihr laut gepriesen. Offensichtlich hatte sie keinen Sohn dabei. Ihre Königshymnen waren ernst gemeint, versprach sie sich auch finanzielle Anerkennung durch Friedrich, die jedoch enttäuschend ausfiel. Dem König gefielen natürlich solcherart Gedichte, obwohl sie von einer deutschen Autorin geschrieben wurden. Auch andere Zeitgenossen bewunderten die Karschin, wie sie kurz und knapp genannt wurde. Beispielsweise der Halberstädter Domsekretär und Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim.
„O, meine Fantasie ist heftig!“ weiß die Karschin von sich zu sagen. Ein vehementer Ausruf, für den die neue Produktion des Potsdamer Ensembles „I Confidenti“ titelgebend war. Als Zugabe zur großen Ausstellung „Friederisiko“ im Neuen Palais und innerhalb des seit 2008 veranstalteten Barocken Theatersommers gab es am vergangenen Freitag im Schlosstheater die Premiere zu dem musikalisch-szenischen Lebensbild über Anna Louisa Karsch, das Nils Niemann aus Briefen, Gedichten, Liedern und anderen musikalischen Kostbarkeiten montierte. Ein Mosaik entstand. Doch der Zuschauer muss sich das „Stück“ nicht aus einem Zettelkasten selbst zurechtbasteln. Dafür sorgte Niemann mit seiner szenischen Realisierung selbst. Seine Erfahrung, Befindlichkeiten, Ereignisse und Stimmungen aus Dokumenten zu filtern wird in diesem Karschin-Bild deutlich. Liebevoll, vielleicht etwas zu ehrfurchtsvoll näherte er sich der Dichterin, die einen selbstbewusst-emanzipatorischen Ton gegenüber ihren Zeitgenossen und dem König anschlug.
Der sich manchmal in die Länge ziehende Erzähl- und Vorleserhythmus erfährt jedoch durch den Dialog zwischen der Karschin und Gleim – in den sie verliebt war – oder in der Begegnung mit Friedrich glücklicherweise szenische Erfrischungen. Dann findet Theater statt, berührend und humorvoll. Alexandra Broneske spricht und spielt die Karschin sehr intensiv. Sie weiß die verschiedenen Facetten dieser „preußischen Sappho“, wie Gleim sie nannte, zu hinterfragen. Sie lässt sie erkennbar werden als naive und ungebärdige Frau, als leidenschaftlich-schwärmerische Dichterin, die auch für leise-empfindsame Töne empfänglich war. Harald Arnold als Gleim und König Friedrich waren nicht so viele Darstellungsmöglichkeiten gegönnt. Doch ein paar gestalterische Nuancen mehr hätten seinen Rollen dennoch gutgetan. Er blieb den Abend über allzu sehr im Erzählerpart stecken.
Das Lebensbild formten auch die Sopranistin Doerthe Maria Sandmann sowie das Ensemble „Die kleine Cammermusik“ mit. Sie machten das Zeitalter der Empfindsamkeit, in der die Karschin lebte und wirkte, musikalisch lebendig. Dabei kommentierten und illustrierten sie nicht nur das Geschehen auf der Bühne, sondern gaben dem Ganzen eine idyllisch-gefühlsmäßige Orientierung, vor allem mit vertonten Liedern und Oden, die von der Karschin oder von Gleim verfasst wurden.
Besonders Carl Philipp Emanuel Bach widmete sich immer wieder den Texten der Dichterin und gab den tiefen seelischen Empfindungen besonders ihrer geistlichen Gedichte musikalisch adäquaten Ausdruck. Doch auch mit den heutzutage weitgehend unbekannten Komponisten wie Johann Adam Hiller, Ernst Wilhelm Wolf, Prinzessin Anna Amalia von Preußen oder Christian Gottlob Neefe wartete die Kleine Cammermusik unter der Leitung des Violinisten Wolfgang Hasleder auf.
Doerthe Maria Sandmann hatte nicht nur zu singen, sie gestaltete auf der Bühne die schöne Seele, das Wunschbild der Karschin. Darstellerisch macht sie es äußerst geschmackvoll, doch auch die Interpretation der Lieder und Arien aus Singspielen wie „Die Dorfdeputierten“ von Wolf oder „Der Blumen Königin“ von Neefe gelang ihr ohne Ausnahme. Dabei mangelte es nicht an Gefühlswärme und einfacher Innigkeit. Die Kleine Cammermusik spielte so, wie es der Forderung Carl Philipp Emanuel Bachs entspricht: „dass das Herz in Bewegung gebracht werden müsse“. Kultiviertes Musizieren kennt man von diesem Ensemble ohnehin, doch auch der Emotionalität der Piecen wussten die Instrumentalisten eine feine Empfindsamkeit zu verleihen. Ein oder zwei Stücke waren zu viel des Guten, hinderten sie doch den Spielfluss auf der Bühne. Da gab es dann eine zu dicke Fermate.
An diesem musikalisch-literarischen Bildungsabend war auch Christine Jaschinsky beteiligt, die gemeinsam mit Gewandmeisterin Kristina Weiß wieder zauberhafte Kostüme entwarf und für einen stimmungsvollen optischen Rahmen sorgte. Ein langer Tisch mit opulenten Speisen machte sich die ganze Aufführung über auf der Bühne breit. Vielleicht auch als Wunschbild der Karschin gedacht? Schließlich werden in ihrem Gedicht „Lob des Essens“ Gaumen-Köstlichkeiten beschrieben, die sie wohl nur vom Hörensagen kannte.
Nächste Vorstellungen im Schlosstheater: 18. und 19. Mai, 20 Uhr.
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