Kultur: Mit holländischer Offenheit
Jenny Weichert ist neu am Hans Otto Theater: Ab heute spielt sie in „Wir alle für immer zusammen“
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Jenny Weichert kommt gerade vom Friseur. „Ich musste mir noch schnell vor der Premiere meine blondierten Haare naturblond umfärben.“ Schließlich spielt sie ab heute in der Uraufführung des Kinderstücks „Wir alle für immer zusammen“ am Hans Otto Theater ein elfjähriges Mädchen. Die dichtende Polleke ist zwar schon sehr weit für ihr Alter, aber sie ist auch sehr natürlich. Für Jenny Weichert ist Polleke die erste große Rolle. Noch ist sie nicht einmal ganz fertig mit dem Studium. „Während meiner Ausbildung spielte ich zumeist ältere, gebrochene Frauen – vielleicht weil ich die Älteste im Jahrgang bin“. Bevor Jenny an die HFF nach Babelsberg ging, studierte sie bereits zwei Jahre Deutsch und Spanisch auf Lehramt. Doch das Theaterspielen schwirrte immer in ihrem Kopf als eine andere Option für ihre Lebensgestaltung herum. Und gewann schließlich die Oberhand.
Dass sie jetzt ausgerechnet mit einem holländischen Stück in ihren ersten Vertrag geht, sei eine günstige Fügung. Schließlich war Holland über sieben Jahre ihre Heimat. Mit drei Jahren zog sie mit ihren Eltern vom Bodensee nach Nordholland. „Dort besuchte ich eine europäische Grundschule mit sehr kleinen Klassen. Als ich zehn war, zogen wir wieder nach Ravensburg zurück. Eine schwierige Zeit, denn in dem Alter braucht man einigermaßen dringend seine Freunde und die Schule. Auf einmal sprachen alle nur Schwäbisch, kein vertrauter Sprachmix mehr. Alles war plötzlich viel enger und verklemmter.“
Jenny war damals in Pollekes Alter und so kann sie sich gut hineinversetzen, was die Konflikte für dieses Mädchen bedeuten. Auch wenn sie ganz anders gelagert sind als damals bei ihr. „Pollekes Vater nimmt Drogen und kriegt sein Leben nicht so richtig auf die Reihe. Die Mutter fängt eine Beziehung zu ihrem Lehrer an und dann will auch noch ihr Freund mit ihr Schluss machen. Der ist Marokkaner und seine Eltern möchten, dass er ein marokkanisches Mädchen heiratet.“ In seinem Abschiedsbrief schreibt Mimun an Polleke: „Ich gehe nicht mehr mit dir, denn ich glaub in meiner Kultur ist das gar nicht erlaubt, dass eine Frau Dichter ist, ganz bestimmt ist das nicht erlaubt, und wer will auch schon Dichter sein?“
„Das Stück ist wirklich super geschrieben.“ Die dramatisierte Fassung von Andreas Steudtner und Philippe Besson, der auch Regie führt, halte sich ganz dicht am Roman von Guis Kuijer, der 2002 den Deutschen Jugendliteraturpreis dafür bekam. „Die Inszenierung ist so ähnlich wie ein Tagebuch aufgebaut, es sind viele Erzählpassagen drin: nichts Spektakuläres, eben über den Alltag Pollekes. Mal sehen, ob die Kinder zuhören wollen.“
Jenny Weichert spürt sehr stark das Holländische darin, „obwohl ich gar nicht genau sagen kann, warum. Vielleicht weil die Kinder so offen über alles sprechen, beispielsweise über den schwulen Vater von Pollekes Freundin, die im Reagenzglas gezeugt wurde.“
Jenny Weichert ist vorerst für ein Jahr am Kinder- und Jugendtheater engagiert. Die 27-Jährige muss sich neben der Probenarbeit auch auf ihre letzte Prüfung vorbeireiten: „Am 24. Oktober ist das gefürchtete Intendantenvorspiel. Für mich ist das zum Glück nicht mehr so aufregend.“ Sie hat ja ihr Engagement bereits in der Tasche. Dafür ist sie um so nervöser, wenn sie an die heutige Premiere denkt. „Ich habe noch nie vor Kindern gespielt.“ Schon morgens um 10 Uhr voll da zu sein, sei ebenfalls eine Herausforderung. Joggen habe sich da als Muntermacher gut bewährt. „Ich bin total gern draußen, mag Wald und Wasser um mich herum. Deshalb bin ich froh, dass ich in Potsdam vorerst weiter wohnen kann.“ Natürlich wisse sie, dass Sesshaftigkeit nicht unbedingt zum Leben eines Schauspielers gehört. „Das ist für mich als ,Landei“ ein Faktor, der mir an dem Beruf nicht so gefällt. Um so schöner war es, von der Hochschule erst einmal in ein sehr familiäres Theaterklima hinein zu kommen. Hier fühle ich mich gut aufgehoben“, sagte der Blondschopf und radelt mit Rucksack auf dem Rücken zur Generalprobe davon.
Premiere heute, 10 Uhr, Reithalle A
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