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Kultur: Mit Plakaten um den Sommer werben

Grafische Arbeiten von Wolf-Dieter Pfennig in der SperlGalerie

Grafische Arbeiten von Wolf-Dieter Pfennig in der SperlGalerie Von Götz J. Pfeiffer Die Wetterfrösche sind sich noch nicht einig. Hat Deutschland einen Traumsommer zu erwarten? Oder doch nicht? Nur einer ist sich jetzt schon sicher. Er heißt Wolf-Dieter Pfennig, wurde 1956 in Dresden geboren und zeigt gut siebzig seiner neueren und neuesten Arbeiten in der Sperlgalerie unter dem verheißungsvollen – und meteorologisch hoffentlich prophetischen – Titel „Überdosis Sommer“. Die überreichlich besuchte Vernissage und ein entsprechend subtropisches Klima in den Galerieräumen könnten ein gutes Omen sein, auch weil sich im Laufe des Abends die roten „Verkauft“-Punkte mehrten. Über eines sollte man sich klar sein – oder bald werden –, wenn man die ausgestellten Arbeiten betrachtet. Pfennig beackert ein spezielles und seltener geübtes Kunstfeld: das Plakat. Schon in den 80er Jahren während seines Studiums an der Berliner Kunsthochschule in Weißensee widmete er sich der Grafik. Immer wieder wurde er in der Vergangenheit beim Wettbewerb der „100 besten Plakate des Jahres“ ausgezeichnet. Und im letzten Jahr stellte er zusammen mit seinem Lehrer Volker Pfüller im angesehenen Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe so genannte Plakatkunst aus. Dass die Produkte dieser bisweilen unterschätzten Gebrauchsgrafik mehr als nur schnell vergängliche Qualitäten haben, beweisen die großen Namen in ihrer Geschichte. Deren Bogen ist von Toulouse-Lautrec und Alfons Mucha über Käthe Kollwitz, Wladimir Wladimirowitsch Majakowski und John Heartfield bis zu dem Polen Henryk Tomaszewski und dem Amerikaner Keith Haring zu spannen. Da Plakate aus ihrem werbenden Zweck heraus auffällig sein sollen, auch aus einiger Entfernung erkennbar und ihr Inhalt schnell zu erfassen, darf man Pfennigs ausgestellte Arbeiten mit Recht als plakativ bezeichnen. Trotzdem halten sie auch dem wiederholten Blick stand und rufen selbst dann noch ein mal feines, mal derberes Schmunzeln hervor. Da mahnt ein älterer Mann zwischen zwei Schwänen mit langen Hälsen im Bildtitel „Nur einer“, während sich weiter hinten eine junge Nackte räkelt. Dort stehen zwei Schwäne vor einer schlafenden, entblößten Schönen, darüber die Worte „Ich heiße Jardin“ und der darauf zu beziehende Titel „Im Garten“. Eine vielleicht von Corregio entlehnte Variante der Leda mit dem Zeus-Schwan? Oder ob die Schöne auf den Namen Flora hört? Mit dem gleichen menschelnden Unterton nimmt Pfennig den Betrachter für andere Blätter ein. In „Quatschen und Fressen“ sind diese oralen Lüste zupackend mit einer mampfend telefonierenden Nackten und einem gleichfalls fern sprechenden Galan im Anzug überzeichnet. Vom langbeinigen Vogel im Bild angeregt möchte man ausrufen: Da brat“ mir doch einer “nen Storch! Die Nähe zur Karikatur zeigt sich auch in Blättern wie „Johlende Herzen“, darauf reitet ein Mann sein hölzernes Steckenpferd, drumherum ein dressiertes Hündchen, ein liegend-lockendes Weib und ein eitler Kerl in geckenhafter Kleidung. Wer johlt über wen? Erst der Betrachter vor der Szene und dann selbst erkennend über sich? Der Plakatgattung sind Pfennigs kräftige, in ihrer Kombination nicht eben aufregende Farben geschuldet. Der Gattung auch die flächige Darstellung und die erfahrene Führung von Pinsel und Stift, die an Holzschnitte und schnell hin geworfene Zeichnungen erinnert. Wie Versuche im Malerischen hingegen wirken die zwei Arbeiten „Kopf“ und „Mädchen“ mit farbigen Tuschen auf Japanpapier. Pfennigs Stärken liegen anderswo. Neben den Plakaten und den ihnen nahe stehenden Blättern in Mischtechnik auf Papier, in Acryl auf Leinwand bei den kleineren „Skizzen“. In Blöcken zu drei mal zwei und drei mal drei Kleinformaten sind Szenen aus dem Zeichensaal einer Aktklasse und einer geselligen Zusammenkunft gerahmt. Frisch und lebensvoll sind diese nachgerade preiswerten Skizzen. Hinein ins volle Menschenleben greift Pfennig auch, indem er eine langbeinige Dame auf hohem Barhocker einem gierigen Gaul dürres Gras vorsetzt, während sie am Sektglas nippt, betitelt „Füttern“. Das Blatt „Im Hafen“ mit einer weiblich-männlichen Kopulation darf man als Fortsetzung dieses Reiterspiels verstehen. Das ist so direkt wie ehrlich dargestellt. Und wer es noch deutlicher mag, wird seine Lust am feilgebotenen Künstlerheft haben. Texte von Matthias Dix ergänzen die schwarz-weißen Zeichnungen Pfennigs. Das Bett im Kornfeld ist bereitet. Der heiße Sommer kann jetzt bitte schön kommen. Bis 11. Juli in der Sperlgalerie, Mittelstr. 30. Di-So 12-18 Uhr. Künstlerbuch 7 Euro.

Götz J. Pfeiffer

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