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Kultur: „Mit Psychologie wird es banal“

David Matthäus Zurbuchen und Nils Niemann über die Premiere von „Monsieur di Porsugnacco“

Stand:

Zusammen haben sie die Musikkomödie „Monsieur di Porsugnacco“ inszeniert, die heute im Schlosstheater Premiere hat. Auf der einen Seite der Theaterpraktiker David Matthäus Zurbuchen, auf der anderen der Musikwissenschaftler Nils Niemann. Eine nicht selten unproblematische Verbindung, die erhebliches Konfliktpotenzial in sich birgt, weil hier oft unterschiedliche Sichtweisen aufeinanderprallen.

Zurbuchen: Ach, bisher haben wir uns nur wenig geschlagen, oder?

Niemann: Überhaupt nicht. Ich bin ja nicht nur Musikwissenschaftler, sondern arbeite regelmäßig am Theater und David Matthäus Zurbuchen besitzt eine große Musikalität. Dadurch haben wir uns auch sofort verstanden. Hinzu kommt, dass wir sehr bald Parallelen zwischen der Commedia dell’ Arte und dem barocken Theater entdeckt und so gemerkt haben, dass diese Inszenierung eine wirklich stimmige Geschichte ist.

„Monsieur di Porsugnacco“ als Komödie, in der Komponist Ignatio Fiorillo, basierend auf einem Text von Moliere, Elemente der barocken Oper mit der Commedia dell´ Arte miteinander verbindet?

Niemann: Ja, und im Laufe der Proben haben wir dann festgestellt, dass einige Gesetzmäßigkeiten für die Aufführungspraxis der Commedia dell’ Arte, die aus dem schauspielerischen Handwerk heraus tradiert wurden, manchmal sogar in der Musik aufgeschrieben sind.

Zurbuchen: Das war für mich eine superinteressante Entdeckung. Ich bin Praktiker, seit 30 Jahren auf der Bühne, habe die Commedia dell’ Arte von meinem Meister Alessandro Marchetti, der aus einer bekannten italienischen Schauspielerfamilie stammt, von der Pike auf gelernt. Ich zähle mich zu den wenigen deutschsprachigen Theaterleuten, die so viel Commedia dell’ Arte gemacht haben. Bisher hieß es immer, dass die Commedia dell’ Arte, diese italienische Volks- und Stehgreifkomödie, nicht schriftlich überliefert wurde. Das entsprechende Theaterhandwerk wurde von Generation zu Generation praktisch weitergegeben. Als wir dann die ersten Leseproben für „Monsieur di Porsugnacco“ gemacht haben, war ich verblüfft, wie richtig Nils Niemann mit seinen Anweisungen lag.

Wobei er doch nur die Noten des Komponisten Ignatio Fiorillo zur Hand hatte.

Zurbuchen: Ja, aber Fiorillo, der selbst ein sehr guter Schauspieler gewesen sein muss, hat das alles in seinen Noten niedergeschrieben. Da habe ich mich jetzt korrigieren lassen: Die Commedia dell’ Arte ist genau überliefert worden. Und das ist einfach wunderbar. Denn das bestätigt, dass unser Spiel, wie wir es seit Jahren schon machen, richtig ist. Und ich konnte mit meinen praktischen Erfahrungen nun versuchen, diese Noten wieder mit lebendigem Spiel zu erfüllen.

Die Noten im Grunde als Art Regieanweisung für die Geschichte des Landadligen Porsugnacco, der sich in ein reiches Fräulein aus der Stadt verliebt, letztendlich aber mit deren Magd vorlieb nehmen muss?

Niemann: Da stehen Regieanweisungen, Gesten und das richtige Timing drin. Das hat Fiorillo sehr gut verstanden. Denn für einen Witz in einem solchen Stück ist es sehr wichtig, die Pausen genau zu setzen. Da reicht schon eine Sekunde zu früh und keiner lacht.

Zurbuchen: Das Problem besteht ja heute darin, dass es kaum Leute gibt, die das auch herauslesen können. In dieser Hinsicht war die Zusammenarbeit mit Nils Niemann wirklich ein Glücksfall. Denn durch meine praktische Erfahrung konnte ich auch bestimmte Motivationen erklären. Warum das jetzt gerade so oder so klingen muss. Warum bestimmte Figuren in diesem Stück so sind und sich auch so verhalten müssen. Warum man sie entweder verehrt oder ausgelacht hat. Und das alles in der Musikalität der Commedia dell’ Arte.

Niemann: Wir haben da auch viel aus der Sprache heraus gearbeitet, von der die Einfachheit der unterschiedlichen Figuren ja lebt. Das muss direkt kommen, ohne Umschweife, kein Prosakommentar werden.

Sie haben sich bei dieser Inszenierung für das Original in italienischer Sprache entschieden. Wer kein Italienisch beherrscht, wird dann wohl Probleme haben, diese Direktheit zu verstehen.

Niemann: Nein, das glauben wir nicht. Denn alles, was der Komponist niedergeschrieben hat, überträgt sich direkt auf das Publikum, so dass man dies sicherlich auch ganz gut verstehen wird, wenn man kein Italienisch beherrscht.

Zurbuchen: Die Commedia dell’ Arte ist kein psychologisches Theater. Da ist immer alles sehr deutlich: Ich denke, ich mache, ich hab Hunger, ich esse und jetzt gehe ich weg. Ganz schnelle und einfache Gedanken. Diese Figuren sind wie grob gezeichnete Skizzen. Wenn wir versuchen, sie zu psychologisieren, dann stimmt die Commedia dell’ Arte nicht mehr, dann wird sie banal.

Aber unterschätzen Sie nicht doch das Sprachproblem, wenn Sie selbst auf Untertitel verzichten?

Zurbuchen: Nein, denn diese einfachen Figuren finden sich im Clown und in Charlie Chaplin. Selbst von Jean Paul Belmondo in seiner lapidaren Art wurde gesagt, er sei im Grunde ein Harlekino. Und die funktionieren auch ohne Sprache.

Niemann: Genau dieses nicht psychologisch denken ist für uns heute sehr schwierig. Wie oft wird von barocken Texten gesagt, sie seien so einfach und direkt, regelrecht naiv. Wie bringe ich das bloß rüber? Das gelingt nur, indem man genau aus der Sprache heraus arbeitet. Wir haben uns regelrecht in einzelne Worte verbissen, versucht, sie so plastisch auszusprechen, dass sie selbst schon zur Musik werden.

Zurbuchen: Und da zeigt sich das Konzentrierte im Italienischen, das mit drei oder vier Wörtern auf den Punkt kommt, wo es im Deutschen oft einen ganzen Satz braucht, um es zu umschreiben. Dabei geht es eben nicht um Verständnis, sondern um ein inneres Bild, das entsteht. Und dazu dann die Schönheit der italienischen Sprache im Gesang, die Vokale, die kurzen Konsonanten, keine Luft, die verschwindet.

Welche Rolle spielt bei einer solchen starken Konzentration auf die Sprache dann noch die Musik?

Niemann: Schaut man zum ersten Mal auf Fiorillos Noten, denkt man, das ist einfache Musik. Da ist gar nichts drin. Aber erst durch die Sprache, durch das Physische wird sie lebendig, bekommen Kleinigkeiten großes Gewicht und eine entsprechende Bedeutung. Allein am Tonfall hören, ob jemand jetzt gereizt oder nur aufgeregt ist. Und dann merkt man sehr schnell, dass die Komponisten damals Theaterpraktiker waren. Wer das alles nicht berücksichtigt, läuft Gefahr, all die Schönheiten, den Witz und Esprit dieser Musik zu übergehen.

Zumburchen: Wer sich auf das Stück einlässt und nicht gleich beim ersten Wort auf Italienisch zurückschreckt, dem wird sich die Schönheit dieser Komödie und ihrer Musik schon öffnen.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Die Premiere von „Monsieur di Porsugnacco“ im Rahmen des Barocken Opernsommers Sanssouci findet heute, 19 Uhr, im Schlosstheater im Neuen Palais statt. Weitere Termine unter anderem am 9. Mai, 16 Uhr, am 15. Mai, 19 Uhr und am 16. Mai, 16 Uhr. Karten im Vorverkauf zwischen 10 und 22 Euro, zzgl. Gebühr, an der Abendkasse zwischen 16 und 26 Euro. Weitere Informationen unter www.i-confidenti.de

David Matthäus Zurbuchen hat die Schauspielakademie Zürich, der Scuola Teatro Dimitri besucht. In den vergangenen 30 Jahren hat er sich in der Kunst der Commedia dell’Arte spezialisiert.

Nils Niemann hat Musikwissenschaft und Germanistik bzw. Publizistik in Hamburg und Berlin studiert. Er ist als Spezialist für Schauspielkunst und Bühnenpraxis des 18. Jahrhunderts tätig.

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