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Mit großer Dramatik. Die schnellen Wechsel zwischen den Chorpartien und den Soli forderten eine permanente Aufmerksamkeit aller beteiligten Musiker.

© Manfred Thomas

Von Klaus Büstrin: Mit schöner Klarheit

Das Ensemble Exxential Bach führte zur Karfreitagsvesper Johann Sebastian Bachs Johannespassion in der Nikolaikirche auf

Stand:

Die Spannung könnte nicht größer sein: In den drei Tagen zwischen Karfreitag und Ostern verdichten sich die dunkelsten und die hellsten Erfahrungen der Menschheit: Tod und Leben. Seit Jahrhunderten lassen sich Musiker davon zu Werken von besonderer Tiefe und Ausdruckskraft inspirieren. Sie begleiten und deuten das Leiden und Sterben Jesu bis zum Kreuz sowie seine Auferstehung am Osterfest.

Das Ensemble Exxential Bach, das hervorragende Sänger und Musiker aus verschiedenen europäischen Ländern unter der Leitung des Kirchenmusikers Björn O. Wiede regelmäßig nach Potsdam führt, hat zur Karfreitagsvesper in der St. Nikolaikirche die Vertonung der Johannespassion von Johann Sebastian Bach aufgeführt, drei Tage später in der Friedenskirche Sanssouci das Osteroratorium des selben Komponisten, eine frohe und befreiende Antwort auf die Leidenszeit (siehe Text unten). Für das Ensemble Exxential Bach und den Dirigenten Björn O. Wiede, der vom Cembalo aus auch die Rezitative begleitete, bedeutete dies eine Mammutaufgabe, die sie bravourös bewältigten.

Die Johannes-Passion erfreut sich nicht der einzigartigen Volkstümlichkeit wie die Matthäuspassion. Dass die eine im Schatten der andern steht, hat historische und aufführungstechnische Gründe. Als Mendelssohn die Matthäuspassion genau hundert Jahre nach ihrer Aufführung wieder zum Leben erweckte, stand ihm die Berliner Singakademie mit ihren vierhundert aktiven Mitgliedern zur Verfügung. Die monumentale Form dieser Aufführung ist seitdem zur monumentalen Norm geworden.

Demgegenüber gilt die Johannespassion von jeher als das intimere Werk, obwohl eine solche Unterscheidung nicht im Gesichtskreis Bachs lag. Kammermusikalisches und Sinfonisches sind erst in einer späteren Zeit aufführungspraktische Größenordnungen geworden. Der Johannespassion ist diese intimere Praxis, die sich bis heute gehalten hat, durchaus zugute gekommen. Die knappe Form ermöglicht eine große Dichte.

Bei Exxential Bach wird jede Sing- und Instrumentalstimme solistisch besetzt, außer im Bass. Die schnellen Wechsel zwischen den Chorpartien und Soli – die von den selben Solisten gesungen werden – fordern eine permanente Aufmerksamkeit aller beteiligten Musiker und schaffen eine ungeheure Dramatik.

Dabei faszinierte die wunderbare Homogenität der Sängerriege mit Heidi Maria Taubert, Sopran, David Erler, Altus, Max Kiener, Tenor, Sebastian Bluth, Bariton, und Matthias Lutze, Bass, gepaart mit einzigartiger Klangschönheit, obwohl der weite Raum der St. Nikolaikirche akustisch für alle Beteiligten einige Tücken bereithält. Dennoch wurde die polyphone Satzstruktur der Musik hier nicht verdeckt, trotz der insgesamt raschen Tempi, die Wiede wählte. Und jeder einzelne Choral offenbarte in der Aufführung ganz unaufdringlich sein differenziertes „Innenleben“. Manchmal hätte man den Volksszenen einen stärkeren Chorklang gewünscht, doch die Sänger machten die Askese mit Ausdrucksdichte und Präzision wett.

Max Kiener war ein hochdramatischer Evangelist. Die aufwühlenden Monologe und Dialoge bedachte er mit großen Emotionen, die hin und wieder zu dick aufgetragen wurden. Matthias Lutze gab mit würdevollem Ausdruck die Jesuspartie, kraftvoll, doch immer kultiviert sang Sebastian Bluth die Parten des Petrus, des Pilatus sowie die Bassarien. Heidi Maria Taubert und David Erler wussten stilsicher und mit schöner Klarheit zu singen. Und allen kann eine gute Textverständlichkeit bescheinigt werden.

Auch von den Instrumentalisten des in historischer Aufführungspraxis agierenden Ensembles hörte man nichts Routiniertes, Abgespultes. Es wurde hoch konzentriert und mit nie nachlassender Präzision musiziert, stets auf hohem Niveau. Schade, dass die Zuhörer die Johannespassion durch ihren Applaus nicht in Stille ausklingen ließen.

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