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Fast so beliebt wie der Weihnachtsmann, nur mit erheblich weniger Haaren. Der sympathische Graf Orlock auf Nahrungssuche.

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Kultur: Mit Schwung und Biss

„Die Austernprinzessin“ und „Nosferatu“ im Filmmuseum / Von Alexa Eberle

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Vor allem Babelsberger Filmgeschichte wird im Filmmuseum gehegt und gepflegt. Das heißt, die vielfältigen Dokumente, Kostüme, Technik, Nachlässe werden gesammelt und dem Publikum präsentiert. Und natürlich kommen cineastische Kostbarkeiten zur Aufführung. In unserer Serie „Filmklassiker vorgestellt“, die gemeinsam mit dem Museum entstand, stellen wir heute „Die Austernprinzessin“ (1919) von Ernst Lubitsch und „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ (1921) von Friedrich Wilhelm Murnau vor.

Nur eine Stunde lang ist Lubitschs groteskes Lustspiel – vier Akte, die beste Unterhaltung bieten. Saftig ist der Humor, brillant das Dekor und die Choreografien. „Die Austernprinzessin“ ist, so Lubitsch selbst, seine „erste Komödie mit einem definitiven Stil“, der „erste Schritt von der Komödie zur Satire“. Hemmungslos überzeichnet der junge Regisseur seine Figuren, ohne sie dabei der Lächerlichkeit preiszugeben. In einem parodistischen Verwechslungsreigen laufen sie zur Hochform auf.

Ossi Oswalda agiert herrlich schrill als Milliardärstochter Miss Quaker – ein verzogenes It-Girl der Weimarer Republik. Die Nachricht, dass sich die Tochter des Schuhcremekönigs Mr. Blakpott mit einem Grafen vermählt hat, löst bei der „Austernprinzessin“ einen phänomenalen Tobsuchtsanfall aus. Der mit grotesker Perücke und gigantischen Koteletten ausgestattete Vater kontert gelassen: „Das imponiert mir gar nicht. Ich kaufe dir einen Prinzen“. Als Gatte wird prompt Prinz Nucki bestimmt. Dessen „Adjutant“ Josef soll sich ein Bild von der Zukünftigen machen, wird selbst für Nucki gehalten und vom Fleck weg geheiratet, obwohl die Braut konstatiert: „Donnerwetter, sieht der blöd aus“. Während die Hochzeitsgäste einer „Fox-Trott-Epidemie“ erliegen, zieht Nucki um die Häuser und landet am nächsten Morgen – sternhageldicht – im „Verein der Milliardärstöchter zur Bekämpfung der Trunksucht“. Da sich alle Damen darum reißen, den Prinzen zu „heilen“ muss die „Austernprinzessin“ per „Boxmatch“ die Sache für sich entscheiden. Zuletzt gewährt Lubitsch dem Publikum noch einen Blick durchs Schlüsselloch des Ehegemachs und lässt den Brautvater das Happy End kommentieren: „Das imponiert mir.“

So vergnügt der Zuschauer das Kino nach der „Austernprinzessin“ verlässt, so schaudernd mag er nach „Nosferatu“ den Heimweg antreten. Murnaus „Symphonie des Grauens“ mutet zuerst seltsam entschleunigt an, nimmt dann durch temporeiches Wechseln der Schauplätze zunehmend Fahrt auf. Unweigerlich zieht es den Zuschauer in den Strudel der Ereignisse hinein.

In Transsylvanien soll Hutter im Auftrag eines Maklers mit Graf Orlock ins Geschäft kommen. Dieser entpuppt sich als „Vampyr“ und reist nach Wisborg, um Hutters Verlobte Ellen heimzusuchen.

Murnau hat mit seiner Adaption von Bram Stokers Gothic Novel „Dracula“ (1897) den Prototyp des Horrorfilms geschaffen; nicht, weil er eine furchterregende Geschichte erzählt, sondern weil er durch die Komposition aus verstörenden Bildern eine fantastische Atmosphäre erzeugt. „Das ist Film“, urteilte die Vossische Zeitung, „gespensterische Kutschen huschen durch Waldesschluchten, (...) Schiffe fahren unbemannt in Häfen, Särge mit Erde und Mäusen flitzen aus Kellern auf Wagen, in Schiffe, in zerfallene Hauslöcher (...,) ein Wesen Gespenst-Mensch kriecht, klettert über die Leinwand“. Max Schrecks Darstellung trägt wesentlich zur visuellen Wucht des expressionistischen Klassikers bei. Er gibt den Vampir als eine irritierend groteske Figur: groß, hager, mit kleinem Kopf und spitzen Ohren, ausgestattet mit gefährlichen Raffzähnen und schaurig langen Krallen. Atemraubend wirkt Schrecks Spiel, beziehungsweise „Nicht-Spiel“: Oft erstarrt er bis zur Regungslosigkeit. Der stiere Blick und das zeitlupenartige Heben der knöchernen Hand evoziert mehr Entsetzen, als es die meisten der zähnefletschenden Zelluloid-Wiedergänger mit blutunterlaufenen Augen vermögen. „Nosferatu“ blieb Schrecks einziger Gruselfilm, sein Graf Orlock ein singuläres Phänomen in der Filmgeschichte. Allein ihn zu sehen lohnt den Gang ins Kino.

Alexa Eberle ist Mitarbeiterin im Filmmuseum

„Die Austernprinzessin“ ist zu sehen am 27. Dezember, „Nosferatu“ am 28. Dezember jeweils um 20 Uhr, begleitet vom Filmkomponist Peter Gotthardt am Klavier, im Filmmuseum, Breite Str. 1a/Marstall

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