Kultur: Mit stalinistischer Gnadenlosigkeit
Der Regisseur und Autor Rainer Simon hat unerfreuliche Erinnerungen an Albert Wilkening
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Albert Wilkening hatte bei der DEFA nicht nur Freunde. Darauf wies Filmmuseums-Chefin Baärbel Dalichow während der Festveranstaltung zum 100. Geburtstag des ehemaligen Hauptdirektors der Babelsberger Filmstudios hin. Es gab Mitarbeiter, die weniger positive Erfahrungen mit Wilkening machten. Sie nannte Rainer Simon.
Die PNN befragten den Potsdamer Schriftsteller und Regisseur, der mit „Till Eulenspiegel, „Die Frau und der Fremde“ oder „Die Besteigung des Chimborazo“ einige der wichtigsten Filmarbeiten der DEFA schuf. Für seinen Chimborazo-Film erhielt er 1985 den „Goldenen Bären“ bei der Berlinale.
Rainer Simon wendet sich entschieden gegen eine Verklärung von Wilkening. Bereits während seines Regiestudiums an der Filmhochschule in Babelsberg seien ihm unerfreuliche Begegnungen mit ihm in Erinnerung geblieben. Ein Kamerastudent habe 1964 an der Wandzeitung kritische Fragen zur Ausbildung an der Hochschule und zur Kulturpolitik der DDR gestellt. Er forderte weniger Schönfärberei und mehr Demokratie. Das Schreiben verschwand sofort von der Wandzeitung und es wurde ein Tribunal einberufen, bezeichnenderweise in jenem Haus, in dem Stalin während er Potsdamer Konferenz 1945 wohnte. Bevor man über den Kommilitonen zu Gericht saß, wollte Simon den Wandzeitungsbrief lesen. Dies wurde ihm verweigert. „Auch ich wurde verhört. Wilkening, der als Fachrichtungsleiter Kamera fungierte, war zugleich Ankläger und Richter. Der Kamerastudent wurde relegiert, die anderen zum Abschwören regelrecht gezwungen. So viel kalte Gnadenlosigkeit habe ich später nicht mehr erlebt. Es ging dabei regelrecht stalinistisch zu.“
Während seiner Regisseurstätigkeit bei der DEFA wurde Rainer Simon von Wilkening immer wieder argwöhnisch betrachtet. Beispielsweise bei den Arbeiten zum Märchenfilm „Wie man einen König heiratet“, in dem Doppelbödigkeiten falsch gedeutet wurden und einen Aufruf zum Anarchismus mutmaßte. Auch beim „Till Eulenspiegel“, der zunächst zweiteilig in die Kinos kommen sollte, wurden dem Regisseur Schwierigkeiten bereitet. Man bewertete das Buch als zu dekadent. Man las es aber wohl richtig: Till zog nicht nur mit Spott und Kritik gegenüber den Herrschenden durch die Lande, sondern er prangerte auch die Verführbarkeit der kleinen Leute an. „ Aus dem großen Projekt entstand letztendlich nur ein Film. Doch die Abnahme verzögerte sich. Wilkening drückte sich stets vor Entscheidungen“, so Rainer Simon.
Der Potsdamer erzählt über weitere Begenungen mit Wilkening. „Aber es steht ja alles in meinem Buch ,Fernes Land’.“
Klaus Büstrin
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