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Kultur: Mit unverstelltem Blick DDR-Jugendliche in ihrem Alltag gefilmt

Es waren zwei ganz besondere Dokumentarfilme, die am Donnerstagabend zum Abschluss der Zeitschnitt-Filmreihe zum Thema „Kindheit und Jugend in der DDR“, in Anwesenheit der beiden Regisseure, im gut besuchten Filmmuseum gezeigt wurden. Sowohl der 1979 gedrehte Film „Sonnabend, Sonntag und Montagfrüh“ von Hannes Schönemann als auch der ein Jahr später entstandene Streifen „Wozu denn über diese Leute einen Film?

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Es waren zwei ganz besondere Dokumentarfilme, die am Donnerstagabend zum Abschluss der Zeitschnitt-Filmreihe zum Thema „Kindheit und Jugend in der DDR“, in Anwesenheit der beiden Regisseure, im gut besuchten Filmmuseum gezeigt wurden. Sowohl der 1979 gedrehte Film „Sonnabend, Sonntag und Montagfrüh“ von Hannes Schönemann als auch der ein Jahr später entstandene Streifen „Wozu denn über diese Leute einen Film?“ von Thomas Heise legen den Fokus auf soziale Randbereiche in der DDR und zeigen bemerkenswert unverstellt ein Jugendmilieu, das eindeutig nicht dem Wunschbild der FDJ entsprach und auch in Defa-Spielfilmen höchstens ansatzweise thematisiert wurde. Dass beide Filme in der DDR niemals öffentlich gezeigt wurden, versteht sich fast von selbst.

Thomas Heises Frühwerk „Wozu denn über diese Leute einen Film?“ entstand als Übungsfilm an der Hochschule für Film und Fernsehen und porträtiert zwei jugendliche, mehrfach vorbestrafte Brüder in Ostberlin. Mal in der Kneipe beim Bier, mal bei sich zu Hause auf dem Sofa berichten die beiden Kleinkriminellen offen über ihre vielen Delikte, ihre Prügeleien und Erlebnisse in diversen Jugendhaftanstalten. Bisweilen können sich die Gäste im Saal das Lachen nicht verkneifen, so als sich die beiden an einen Kaufhalleneinbruch erinnern, sich aber uneins sind, ob er zu zweit oder zu dritt stattfand, während die Mutter in Kittelschürze schweigend daneben sitzt. Alles wirkt roh und unmittelbar, es gibt keine erläuternden Kommentare, nur den manchmal schlecht verständlichen O-Ton.

Eine Scheu vor der Kamera hätten die beiden Brüder nie gezeigt, sagt Heise im kurzen Filmgespräch. Im Gegenteil, sie hätten sogar mit großer Lust ihre Geschichten erzählt. Und auch die Jugendlichen, die Hannes Schönemann im Winter 1977 in einem Dorf bei Neuruppin gefilmt hat, hätten eher neugierig denn misstrauisch auf die Kamera reagiert, so der Regisseur. Für seinen Film „Sonnabend, Sonntag und Montagfrüh“ hat er die Jugendlichen ein Wochenende lang begleitet, etwa in eine trostlose HO-Gaststätten-Disko mit Vorhängen und Blumenmustertapete. Beim Kohlenschippen werden sie gefilmt, auf ihren Mopeds, mit denen sie über vereiste Landstraßen knattern oder beim Tanzen in einsamer Landschaft zu fürchterlich leiernder Westmusik aus einem Kassettenrekorder. Auch dieser Film besticht durch seine Realitätsnähe. Es wird ausschließlich O-Ton benutzt, auf jegliche Kommentare verzichtet und allein die vorgefundene Situation dokumentiert, ohne sie ideologisch auf- oder abzuwerten. Er habe etwas Neues ausprobieren wollen, dies aber als Recherche tarnen müssen, da er sonst nie die Dreherlaubnis erhalten hätte, so Schönemann über seinen Film, der als Abschlussarbeit an der Babelsberger Filmhochschule gedacht war, jedoch nicht zugelassen wurde.

Weil Schönemann und Heise mit ihren Filmen schon früh eine klare Position gegen den realsozialistischen Konsens und die kulturpolitische Enge bezogen, gerieten beide in den Fokus der Stasi. So wurde 1983 eine operative Personenkontrolle gegen Hannes und Sybille Schönemann eröffnet, die im Februar 1985 schließlich in der Verhaftung beider gipfelte. Dass Heise sein Studium 1982 abbrach, war auch den Machenschaften der Stasi geschuldet. Fortan war er als Dokumentarfilmer freiberuflich tätig und sei dadurch, wie er rückblickend sagt, immerhin in Bewegung geblieben. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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