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Kultur: Mit Volldampf voraus

Orgelsommer/Bachtage-Konzert mit David Blunden in der Erlöserkirche

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Die Musik Johann Sebastian Bachs sei „eine einzige Anrufung Gottes“, sucht Björn O. Wiede, Nikolaikirchenkantor und Intendant der Potsdamer Bachtage, den Programmtitel „Mylord Bach“ zu begründen. Er steht über einer Zusammenstellung von Orgelwerken aus des Thomaskantors Leipziger Zeit, die der in Australien geborene und als Assistenzorganist an der Heiliggeistkirche zu Basel tätige David Blunden im Rahmen der Zusammenarbeit von Orgelsommer und Bachtage am Mittwoch an der Schuke-Orgel in der Erlöserkirche gespielt hat. In seinen kurzen, leider wenig informativen Einführungsworten erwähnt der Organist Bachs hiesigen Besuch im Jahre 1747. Ja, und?!

Für die „Mylord“-Abfolge bleibt der Fakt ohne jegliche Bedeutung. Dafür verkündet David Blunden, Bach habe seine Stücke stets im Plenum beginnen und enden lassen. Und führt es sogleich vor – mit der Fantasia super „Komm, Heiliger Geist“ BWV 651. Natürlich im Organo pleno, hellstimmig registriert und geschwind gespielt, gleichsam ohne Punkt und Komma. Das Stück rauscht vorüber, und sein Spieler setzt ihm abschließend ein langes Ausrufezeichen. Als Signal für das Ende des Stücks, mehr aber auch nicht. Die Register von Trompete und Vox humana sind es, die den Melodiestimmen von drei bekannten Schübler-Chorälen („Wachet auf, ruft uns die Stimme“ BWV 645, „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ BWV 647, „Ach bleib bei uns“ BWV 649) eine einheitliche, wenig originelle Klangfärbung verleihen. Im Rahmen des diesjährigen Orgelsommers hörte man sie bereits in einer kammermusikalisch feinsinnigen Ausdeutung durch Christoph Schoener.

Die Freiheit der Gestaltung gönnt sich David Blunden allerdings nicht. Er hält sich fast sklavisch an das von ihm gewählte Metrum, das sich wie unter der Oberaufsicht eines Metronoms gleich bleibend abspult. „Schmücke dich, o liebe Seele“, das hätte man gern der Vorführung selbigen Leipziger Chorals gewünscht – mehr Abwechslung. Als ob er es geahnt hätte, besinnt sich David Blunden auf die Weichheit von Zungenstimmen. Den liturgischen Gebrauchsstücken folgen Piecen für die konzertante Verwertung. Letztere sucht er quasi unter dem Motte „mit Volldampf voraus“ auf gradlinigen Kurs zu bringen und zu halten. Mit schneidender Schärfe, schalmeienartig und dudelsackähnlich registriert, beginnt die c-Moll-Fantasia BWV 562. Sie verbreitet sich, wie in ein Korsett geschnürt, ohne spielerische Lebendigkeit in einem durchgängigen Forte. Prinzipalscharftönig ertönt gleichfalls das Es-Dur-Praeludium BWV 552/I: großflächig, als mathematisches Exempel. Wie in der Es-Dur-Fuga BWV 552/II fühlt sich David Blunden als Vorführer von Bachschen Notenfolgen, nicht als deren geistvermittelnder Verführer. Er bemüht sich um Genauigkeit, führt Triller, Vorhalte, Notenwerte und dergleichen Dinge sehr akkurat aus und vor. Sie mit Leben zu erfüllen, gelingt ihm eigentlich nur in der Triosonate II c-Moll BWV 526, deren drei Sätze er kontrastierend registriert, zurückgenommen in der Lautstärke, konzertant, leicht und locker spielt. Das Largo hüllt er in ein weiches, leicht tremolierendes Klanggewand, in welchem die Seele schön kuscheln kann. Und auch „An Wasserflüssen Babylon“ ist gut lagern.

Mit der festlich und fortissimo hereinbrechenden Es-Dur-Fuge ist endlich das Ende der lauten, didaktisch angelegten Orgelstunde erreicht.Peter Buske

Peter Buske

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