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Kultur: Mit Wucht und Aussagekraft Beethovens „Missa solemnis“ im Nikolaisaal

„Von Herzen – möge es wieder zu Herzen gehen.“ Mit diesem Satz überschrieben, hat Ludwig van Beethoven seine „Missa solemnis“ op.

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„Von Herzen – möge es wieder zu Herzen gehen.“ Mit diesem Satz überschrieben, hat Ludwig van Beethoven seine „Missa solemnis“ op. 123 in die Welt entlassen. Einfach so dahingesagt war das sicher nicht. Vielmehr drückt sich in den anrührenden Worten ein tiefes Bewegtsein des Komponisten im Angesicht seiner monumentalen Messe aus. Die „Missa solemnis“, zwischen 1817 und 1823 entstanden, ist Beethovens musikalisches Glaubensbekenntnis. Der persönliche Kampf des Komponisten um das Göttliche wurde darin in Noten gesetzt. So klingt diese Messe auch entscheidend dramatischer als andere Kirchenmusik. Manche sprechen gar von opernhaften Strukturen. Mit zu Herzen gehendem Engagement haben sich Kristian Commichau und seine Mitstreiter auf der Bühne des Nikolaisaals am Mittwoch dem Werk gewidmet, um sich den ganz besonders großen musikalischen Herausforderungen zu stellen.

Für jeden Chor ist Beethovens „Missa solemnis“ ein heikel zu singendes Werk. Im Laufe seines Gehörleidens hatte sich der Komponist immer weiter von einer realistischen Einschätzung eines möglichen Klangbildes entfernt. Sopran und Tenor müssen in unglaublichen Höhen agieren. Ein großes Kompliment an die Chöre, an den Universitätschor Potsdam Cantus cantabile und die „vocal-concertisten“ Berlin, die den gesanglichen Tücken manchmal mit Kraftaufwand begegnen mussten. Zwar gaben sie dem Werk somit eine unverstellte Wucht und Aussagekraft, doch ein bisschen weniger Forcieren wäre entspannender gewesen. Schöne Höhepunkte gab es beim flüssig musizierten „Et incarnatus est“ im Zusammenwirken mit der sensibel gespielten Solovioline (Thomas Kretschmer), bei den beschwörend intensiven Bitten „Kyrie eleision“, „Miserere nobis“ und „Dona nobis pacem“. Besonders herausgearbeitet hatte Kristian Commichau die typisch Beethovensche Manier des plötzlichen Piano nach kurzem Crescendo. Solche abrupten Stimmungsumschwünge wurden im Glaubensbekenntnis, dem Credo, besonders plastisch herausgearbeitet. Doch in diesem Teil kam der Dirigent teilweise ins Schwitzen, denn Chor und Orchester zwischendurch aus dem Tritt. Commichau wählte insgesamt sehr schnelle Tempi, die bisweilen wirkten, als sei man bei einem sportlichen Wettbewerb. Doch sie waren wohl der Tatsache geschuldet, dass der Dirigent dem Laienchor bei der fast Nichtsingbarkeit mancher Passagen eine Hilfe geben wollte.

Solistisch wird die „Missa solemnis“ gern mit üppigen Opernstimmen besetzt. Kristian Commichau wählte aber für das Quartett Sängerinnen und Sänger, die auch chorische Erfahrungen mitbringen. Denn Beethoven verzichtete bei den Solisten auf jede groß angelegte Solopartie. Und so tat sich auch niemand hervor. Man hörte eine beeindruckende vokale Teamleistung in typischen beethovenschen Bereichen von Katharina Roterberg (Sopran), Hildegard Rütschel (Alt), Volker Arndt (Tenor) und Matthias Vieweg (Bariton). Doch für die Besetzung der Basspartie wäre eine Stimme mit mehr Grundierung angebracht gewesen. Der helle Bariton von Vieweg konnte diese jedenfalls nicht erfüllen. Solistische Höhepunkte waren das im Stile eines getragenen Sinfoniesatzes gehaltenen „Sanctus“ und die bis ins Expressive reichenden Passagen des „Agnus Dei“, vom Orchester klangmalerisch unterstützt. Das bestens für die Aufführung vorbereitete Orchester der Universität, die Sinfonietta Potsdam, das von Mitgliedern des Landespolizeiorchesters unterstützt wurde, spielte zwar manchmal recht laut und in der Intonation nicht immer blendend, doch in der klanglichen Balance recht ausgewogen.

Kristian Commichau hat mit der „Missa solemnis“ eine kraftvolle Interpretation vorgelegt, die alle Beteiligten bis an ihre Grenzen führte. Der lautstarke Beifall im leider nicht ausverkauften Nikolaisaal war der herzliche Dank der Zuhörer. Klaus Büstrin

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