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Kultur: Monster mit zwei Köpfen

Uraufführung bei der Kammerakademie Potsdam / Komponist Gabriele Manca im Gespräch

„Der Komponist ist eine tragische Figur“, sagt Gabriele Manca mit leicht ironischem Ernst. „Er steht ganz allein dem Publikum gegenüber.“ Gabriele Manca muss es wissen, denn er hat zahlreiche Werke für Moderne Musik komponiert, die in Europa, Australien und Japan aufgeführt worden sind. Seine neueste Komposition, ein Auftragswerk der Kammerakademie Potsdam, wird beim Symphoniekonzert heute Abend im Nikolaisaal (19.30 Uhr) uraufgeführt. Das 20 Minuten lange Opus mit dem Titel „Les microbes de Dieu – Conduites d“approche IV“ wurde den beiden Solisten Sergio Azzolini, Fagott, und Andrea Politano, Blockflöte, gewidmet.

Der gebürtige Sarde Gabriele Manca lebt seit dreißig Jahren in Mailand. Nach seinem Studium des Klavierspiels bei Bruno Canino und der Komposition bei Giacomo Manzoni gewann Gabriele Manca 1985 den ersten Preis beim WDR-Kompositionswettbewerb. In Japan erhielt er ein Stipendium und komponierte auch erstmals die Musik zu einem Film. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit unterrichtet der Endvierziger am Mailänder Konservatorium „Giuseppe Verdi“ Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition.

Auf die Frage, was ihm der Titel des Stückes „Les microbes de Dieu“ (zu Deutsch: „Die Mikroben Gottes“) bedeutet, antwortet Manca: „Das ist ein Zitat aus einem Gedicht von Antonin Artaud. Ich mag diesen Titel, aber es ist nur ein Titel und kein Programm.“ Ihn habe die Stimme von Antonin Artaud sehr beeindruckt, eine sehr raue, gewalttätige Stimme. „Doch es geht in diesem Stück darum, wie die Musik, die keinen festen Sprachcode besitzt, sich ständig selber neu erfindet.“

Was erst einmal recht abstrakt klingt. Gabriele Manca kann aber ein Beispiel dafür geben: „Im Mittelteil des Stückes gibt es ein langes Adagio mit einem sehr langsam ansteigenden Crescendo. Es repräsentiert ,sprechende Musik“. Flöte und Fagott spielen gewissermaßen die Konsonanten und das Orchester die Vokale. Dazu erklingt Klavier, Schlagzeug und Tonband.“ Flöte und Fagott würden eine ungewöhnliche Kombination in der Musik darstellen. Manca versuche nun, daraus einen einzigen Klang zu schaffen, quasi ein „Monster mit zwei Köpfen“.

Seine Kompositionsweise sei ganz klassisch, sagt Manca. „Auf Notenpapier, aber ich erfinde dabei auch manchmal neue Zeichen für neue Klänge. Eine spezielle Harmonie gibt es nicht, eher Klänge, Cluster, mechanische Muster und extreme Dynamiken.“ Moderne Musik brauche auch Rhythmus – „aber keinen statischen“.

Die Moderne Musik sei für viele Menschen schwierig, weil sie nicht aktiv zuhören könnten. „Neue Musik, aber auch die klassische Musik, benötigt viel Aufmerksamkeit, viel Gehirnaktivität“, stellt der Komponist fest. Für den italienischen Blockflötisten Andrea Politano hat Gabriele Manca bereits rund 15 Stücke komponiert. Der gebürtige Sizilianer unterrichtet Blockflöte am Konservatorium in Lausanne. Natürlich spielt er nicht bloß die altbekannte Schulblockflöte, sondern eine ganze Serie von großen und kleinen Blockflöten. In den „Microbes de Dieu“ gelangen drei verschiedene Flöten zum Einsatz.

Das Publikum kann sich heute auf eine aufregende Premiere mit einem seltenen musikalischen Wettstreit zwischen Fagott und Blockflöte freuen. Sergio Azzolini und Andrea Politano, die das märchenhafte „Monster mit zwei Köpfen“ bilden, stehen für virtuoses Musizieren auf höchstem Niveau. Italienisches Flair verströmt auch der zweite Teil des Konzerts. Die Kammerakademie wird „Die Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi spielen, an der Violine steht Muriel Cantoreggi.

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