Kultur: Mordserie auf Straßen und in Parkanlagen
Michael Erbachs Horrorthriller „Tiefer See“ soeben erschienen
Stand:
Michael Erbachs Horrorthriller „Tiefer See“ soeben erschienen Von Klaus Büstrin Die Unterwelt ist seit Jahrtausenden immer wieder ein schönes, ein reizvolles Thema für Maler, Musiker und Dichter. Schon die Griechen schickten Euridice und Orpheus in das Reich, wo es Verderben und Tod gibt. Für Alexandre Dumas“ Grafen von Monte Christo sollte es hinter dicken Gefängnismauern kein Entrinnen geben – die Unterwelt, die in der Oberwelt lebte hat sich aber in dem Grafen getäuscht. Unter der Autorität einer geheimnisvollen Macht befindet sich auch die Unterwelt in des Potsdamer Dichters Hermann Kasacks Roman „Die Stadt hinter dem Strom“. Entstanden ist der Text nach den Erlebnissen Kasacks im Zweiten Weltkrieg. Die Bewohner der „Stadt hinter dem Strom“ erleben ein Inferno der Brutalität. Brutal, geheinmisvoll und rätselhaft geht es auch in Michael Erbachs Debütroman „Tiefer See“ zu, der soeben bei Pro Business Berlin erschienen ist. Der Potsdamer Journalist lässt seine unheimliche Geschichte im Potsdam der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts spielen. Die Bewohner werden von Ängsten heimgesucht. Mehrere grausame Morde an Frauen machen die Straßen und Parkanlagen unsicher. Der Stecher ist unterwegs. Die beiden Kriminalkommissare Krafft und Klose nehmen sich des Falles an, der sie auch in die Unterwelt der Landeshauptstadt führt, in die Kanalisation, die Überraschendes bereithält. Auch so manchen Zeitgenossen, denen Karriere, Machtstreben über alles gehen, die vor Leichen nicht zurückschrecken oder über sie hinweggehen, lernen sie kennen. Ein tiefer See, der von Schmutz nur so trieft, tut sich den Kriminalisten auf. Michael Erbach, dessen täglich Brot das Recherchieren und Verfassen von journalistischen Beiträgen ist, lässt sich mit lockerer Hand und unverkrampft auf das erzählerische Schreiben ein. Und er hat auch das Vermögen dazu. Der über 400 Seiten umfassende Roman ist spannend zu lesen, auch weil besonders einem Potsdamer die Handlungsorte bekannt sind. Die unterschiedlichsten Milieus und die Charakterisierung einzelner Personen sind trefflich gezeichnet, beispielsweise der kleine und sympathische Sauna-Angestellte Friese, der zwar in früheren Jahren einiges auf dem Kerbholz hatte und dafür in den Knast einziehen musste, der nun erneut wieder in den Sumpf hinhein gezogen werden soll, die Kriminalisten Krafft und Klose. Der erste, ein Familienmensch, ist einer, der mit Ruhe überlegt, welch nächsten Schritte man machen könne, der andere hat etwas von einem Draufgänger, der in seinem Dienst auch vor unfeinen Methoden nicht zurückschreckt. Besonders die Eheprobleme zwischen den Kraffts und die Dialoge im Polizeipräsidium haben etwas Klischeehaftes. Obwohl die Sprache größtenteils einfach gehalten ist und ohne moralisches Pathos geschrieben wurde, hat der Leser doch den Eindruck, dass der Autor zu viele Fernseh-Tatort-Filme über sich ergehen ließ. Dies spürt man vor allem bei den Gesprächen zwischen den Kriminalisten. Die klingen zu hölzern und frustrieren zugleich, denn man fragt sich, ob die Herren bei der Kriminalpolizei wirklich nur mit einer Vulgärsprache umgehen können. Überhaupt ist der Roman insgesamt zu ausufernd. Zu detailreich beschreibt Michael Erbach die Geschichten, die zahlreichen Personen und die Orte der Stadt. Dadurch verliert das Ganze an Spannung, muss man Unwesentliches über sich ergehen lassen. Literatur entsteht nicht dadurch, dass man alles 1:1 dem Leser „vorkaut“, sondern vielmehr dadurch, dass man ihm die Möglichkeit gibt, auch zwischen den Zeilen lesen zu können. Ziemlich spät, fast auf den letzten Seiten, wird man gewahr, dass Erbachs Roman auch einen politischen Hintergrund hat. Man merkt hierbei, dass sich der Autor leidenschaftlich in die Auseinandersetzungen um das Potsdam-Center in den neunziger Jahren journalistisch einmischte. Aber sie werden nicht oberflächlich aus der Unterwelt ans Tgaeslicht geordert. Mit Personen, die man täglich auf der Straße in Potsdam begegnen könnte, und mit Fantasy-Gestalten will Michael Erbach eine Atmosphäre des Grauens erzeugen, der man sich trotz einiger Schwächen nicht entziehen kann. Eine Straffung des Roman wäre dennoch zu wünschen. Michael Erbach, Tiefer See, Roman, 17 Euro, Pro Business Verlag Berlin, ISBN 3-937343-25-3.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: