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Prägend für die Kirchenmusik in Potsdam. Der Kantor Matthias Jacob.

©  Andreas Klaer

Kultur: Mozart zum Auftakt und Verdi zum Finale

Kantor und Kirchenmusikdirektor der Friedenskirche, Matthias Jacob, wird nach mehr als 32 Jahren am Sonntag aus seinem Amt verabschiedet

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Zwischen der Krönungsmesse von Wolfgang Amadeus Mozart und dem Requiem von Giuseppe Verdi liegen mehr als 32 Jahre. Beide Werke stehen für den Auftakt und das Finale des Wirkens von Matthias Jacob in Potsdam. Die Zeitspanne dazwischen ist von großer Vielfalt seines kirchenmusikalischen Wirkens an der Friedenskirche Sanssouci gekennzeichnet. Am 23. Mai 1981 hat der Kantor Matthias Jacob mit dem Oratorienchor Potsdam die festliche Messe Mozarts mit ihrer so schwebenden Grazie zum Besten gegeben. Am kommenden Samstag wird er die einzigartige und betroffen machende Partitur von Giuseppe Verdis Requiem-Vertonung zum Klingen bringen. Das Konzert ist zugleich die Eröffnung des diesjährigen Vocalise-Festivals und das letzte von Jacob als Kantor und Leiter des Oratorienchores. Wenige Stunden später wird Matthias Jacob während eines Gottesdienstes von seinem Kantorenamt entpflichtet. Er geht in den Ruhestand. Natürlich wird auch in dieser Stunde Musik großgeschrieben. Die Kantorei der Friedenskirche, der Vocalkreis sowie der Oratorienchor werden noch einmal gemeinsam unter der Leitung des Kantors singen und natürlich erklingt unter seinen Händen und Füßen auch die Woehl-Orgel.

Matthias Jacob, der 1992 mit dem Titel Kirchenmusikdirektor geehrt wurde, hat das hohe künstlerische Niveau der kirchenmusikalischen Szene in Potsdam entscheidend mit geprägt. In der Geschichte der 165-jährigen Friedenskirche ist Jacob erst der fünfte Kantor. Seine Vorgänger hatten die Stelle jeweils um die 30 Jahre und mehr inne. Die Reihe der Kirchenmusiker leitete 1848 Wilhelm Eduard Hiltmann ein, der „mit großherziger Beihülfe aus königlichem Fonds, einen aus Knaben und Männern gemischten Sängerchor“ gründete und „denselben zu einer anerkennenswerten Höhe musikalischer Leistungen“ führte. Martin Gebhardt folgte ihm, der wie Karl Landgrebe seine musikalische Tätigkeit nicht nur auf die Friedenskirche beschränkte, sondern eine Fülle von Aufgaben in der Stadt wahrnahm. Prägend für das musikalische Geschehen in Potsdam wurden schließlich alle Kantoren der Friedenskirche. Ekkehard Tietze, der in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts interimistisch den Thomanerchor Leipzig leitete, hat 1957 gemeinsam mit dem damaligen Superintendenten Konrad Stolte den Oratorienchor ins Leben gerufen. Der übergemeindliche Chor ist aus dem kulturellen Leben Potsdams nicht wegzudenken. Zwei Jahre nach dem Abschied Tietzes übernahm Jacob den Chor, der an das Kirchenmusikeramt der Friedenskirche gebunden ist.

Der 1948 in Lübben geborene Matthias Jacob wuchs in einem evangelischen Pfarrhaus auf. Sein Vater war der in Cottbus tätige Generalsuperintendent Günter Jacob, der sich während der NS-Zeit in der Bekennenden Kirche engagierte und auch Redeverbot erhielt. Für Sohn Matthias gab es schon in der Jugend den Wunsch, Kirchenmusiker zu werden. An der Cottbuser Klosterkirche lernte er ein reges kirchenmusikalisches Leben kennen. Bei Kantor Lothar Graap, der sich vor allem als Komponist einen Namen machte, lernte er das ABC des Orgelspiels kennen. Nach der Schulzeit studierte Matthias Jacob an der Hochschule für Kirchenmusik Halle an der Saale. Mit dem A-Kirchenmusiker-Diplom in der Tasche trat er 1971 seine erste Stelle in der neugotischen Stadtkirche von Bitterfeld an, einer Stadt, die als ein Symbol für Umweltverschmutzung in der DDR galt. Der Kantor hat mit seinem musikalischen Wirken den Bitterfeldern immer wieder Mut gegeben, die damalige Tristesse der Stadt mit den Farben der Musica sacra zu begegnen.

Nach zehn Jahren Bitterfeld sollte 1981 ein Ortswechsel anstehen. Die Kantorenstelle an der Friedenskirche in Potsdam war vakant. Die ganze Breite kirchenmusikalischer Aufgaben in Gottesdiensten und Konzerten erwartete ihn. Die ursprüngliche Heise-Orgel, die mehrfach umgebaut wurde, machte Matthias Jacob und der Kirchengemeinde erhebliche Sorgen. Vielfach konnte er auf ihr nur eingeschränkt spielen. In Bitterfeld machte er dagegen positive Erfahrungen in Sachen Orgel. Dort musizierte Jacob auf einem neuen Instrument der Zittauer Firma Schuster. 2004 war es auch in Potsdam so weit. Nach 23 Jahren konnte die sinfonische Orgel von Gerald Woehl aus Marburg eingeweiht werden. Großzügige Spender ermöglichten ihren Bau. Mit der außergewöhnlichen „Königin der Instrumente“ ist nun wieder die Möglichkeit gegeben, ein weitgespanntes Orgelrepertoire in der Friedenskirche zu interpretieren. Der erfolgreiche „Internationale Orgelsommer“, zu dem Organisten aus vieler Herren Länder sich ein Stelldichein an der Woehl-Orgel geben, ist seit 23 Jahren eine feste Größe im Potsdamer Musikleben.

Mit Matthias Jacob verbinden sich nicht nur unauslöschliche Eindrücke in puncto des beflügelnden Orgelspiels, sondern auch mit den zahlreichen Aufführungen von Oratorien, Kantaten oder Motetten. Die Klangwelt der Werke von Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy, Johannes Brahms, Anton Bruckner, Max Reger oder Benjamin Britten hat er gemeinsam mit dem Oratorienchor und dem Vocalkreis Potsdam zu eindrucksvollen Hörerlebnissen geführt. Aber auch ungewohnt Neues in zeitgenössischer Kirchenmusik hat er mit seinen wunderbaren Klangmedien erarbeitet und zur Aufführung gebracht, von Alfred Schnittke, Andrew Lloyd Webber, Gerhard Rosenfeld, Gisbert Näther, Maximilian Kreuz oder Wolfgang Thiel. In die Ära Jacobs fallen auch viel beachtete Konzertreisen beider Vokalformationen nach Italien, Tschechien, Österreich, Mexiko, nach Bonn oder ins Land Brandenburg. Gern tritt der Friedenskirchen-Kantor immer wieder mit Kammermusik-Partnern auf, vornehmlich mit Mitgliedern der Kammermusikvereinigung „Johann Joachim Quantz“. Freude bereitet ihn nach wie vor das Lehren im künstlerischen Orgelspiel und Chorleitung an der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Halle.

Das gottesdienstliche Musizieren mit der Kantorei, der Gemeinde und mit der Orgel ist auch für Matthias Jacob von großer Wichtigkeit, denn es schafft Dialoge zwischen den Feiernden und ist ein gemeinsames Sprachrohr im Dialog mit Gott, es ist für ihn eine emotionale Beheimatung, welche durch nichts zu ersetzen ist. Aber Gottesdienst bedeutet für ihn nicht nur die Stunde am Sonntagvormittag, sondern er ist auch jedes Konzert, das den Leitgedanken „Soli deo gloria“ trägt.

26. Oktober, 19.30 Uhr, Friedenskirche Sanssouci, Requiem von Giuseppe Verdi; 27. Oktober, 15 Uhr, Friedenskirche Sanssouci, Gottesdienst zur Verabschiedung von Kantor Matthias Jacob

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