Kultur: Mullah-Alarm im deutschen Grenzkaff Filmgespräch mit Wolfgang Stumph
„Ich habe gar nicht gewusst, dass es so viele Potsdamer gibt“, unkte eine vorlaute Sachsenstimme in den gutbesuchten Kinosaal des Filmmuseums hinein. Wolfgang Stumph, wer sonst.
Stand:
„Ich habe gar nicht gewusst, dass es so viele Potsdamer gibt“, unkte eine vorlaute Sachsenstimme in den gutbesuchten Kinosaal des Filmmuseums hinein. Wolfgang Stumph, wer sonst. Zwischen Wien und Bremen machte er am Mittwoch in Potsdam Station, um am Filmgespräch zu dem persisch-deutschen Unikum „Salami Aleikum“ teilzunehmen, jenem Kleinen Fernsehspiel des ZDF, das ein halbes Jahr nach seiner Premiere mit zwanzig Kopien durch die deutschen Programmkinos tingelt. Till Schweiger sei derzeit mit seinem Film „Zweiohrküken“ allein mit neunhundert Kopien unterwegs, erzählte Producer Jan Krüger. Man erfuhr, dass der vielbeschäftigte Schauspieler seinen Fans auch als politischer Kabarettist erhalten bleiben werde. „Es lohnt sich schon, sich nicht anzupassen“ sagte Stumph, der in neunzehn Jahren hundertzehn Produktionen hingelegt hat, alle seine Rollen „selbstbestimmt“ auswählen kann und von Hollywood nicht mal träumt. Ein Titel wie „Anwalt der Ossis“ dürfte ihm da schon honoris causa nicht unangenehm sein.
Rollen nimmt Wolfgang Stumph also nur an, wenn sie mit seinem „inneren Anliegen“ kooperieren. „Ich will etwas preisgeben von mir“, betonte er. Davon sah man bei der auf Klamotte getrimmten Polit-Komödie „Salami Aleikum“, einem Spiegelbild der Nachwendezeit zwischen 1995 bis 1998, mehr als genug. Wäre sie eine einheimische Produktion, müsste man das alte Klischee, wonach es im deutschen Film nichts zu lachen gäbe, schnellstens korrigieren. Ist es aber nicht! Optik und Skript stammen größtenteils von einem Perser, der Hauptdarsteller ist ein im Ruhrgebiet lebender Deutsch-Perser, gleicher Abkunft ist Regisseur Ali Samadi Ahadi. Der bekannte Kabarettist Michael Niavarani aus Österreich spielt den persischen Metzger Abdul aus Köln, der immer so verächtlich „Ausländer“ sagt, trifft er auf einen Polen. Was sollte also herauskommen, wenn diese beiden Vollblut-Kabarettisten (Stumph gibt einen Kneipier) in tragenden Rollen über Ossis und Wessis, Persis und Polies nachdenken, über kaputte DDR-Betriebe und trostlose Grenzdörfer, über West-Investoren aus China und dem Iran?
Unsinn kommt da heraus, bizarr und paradox, zum Totlachen komisch und tausendmal wahr. So etwa: Abduls Sohn Moshen (Navid Akhavan) soll den väterlichen Betrieb übernehmen, ist aber Vegetarier, geht es ihm schlecht, dann strickt er. Ausgerechnet im Grenzkaff Oberniederwalde verknallt er sich dann in die Kraftmaschine Ana (Anna Böger) – einen Kopf größer, Kugelstoßerin und DDR-Doping-geschädigt. Alles geht durcheinander, alles verdreht sich. Irrtümer machen aus Ausländerhass einen Kotau vor den Fremden, es geht um Liebe und Lüge, um niemals eingelöste Hoffnungen, um fliegende Teppiche in 3-D, um Phantasie und Übermut: Ana und Mohsen treiben Schafe über die grüne Grenze. Eines wirft. Zugriff! Doch nicht sie sind gemeint, sondern einsickernde Asylanten hinter ihnen, im Wald. Einer brüllt plötzlich wie besessen: „Ich habe sie gesehen, die Heilige Familie!“ Ein aberwitzig-sympathischer Film also mit märchenhaftem Multikulti-Happyend - nein, den brächte und dächte ein Deutscher nimmer allein. Gerold Paul
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: