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Kultur: Musen danken dem Meister und Mentor

Auszüge aus Matthus-Opern beim Benefizkonzert für die Kammeroper Schloss Rheinsberg

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Auszüge aus Matthus-Opern beim Benefizkonzert für die Kammeroper Schloss Rheinsberg Als Jung-Siegfried vor fünfzig Jahren in Rheinsberg sein Abitur ablegte, ahnte sicherlich niemand, was sich daraus entwickeln würde. Nun zieht ein Opernfestival Jahr für Jahr Publikum in die Stadt. Wo der junge Friedrich (nachmalig Zwo) und der verliebte Kurt (Tucholsky) ihre schönsten Zeiten verlebten, gründete vor vierzehn Jahren der renommierte Komponist Siegfried Matthus seine Kammeroper Schloss Rheinsberg, eine Förderstätte für den Sängernachwuchs. Viele der angehenden Carmen, Alfredos, Taminos oder Philippe starteten von hier aus ihre erfolgreiche Karriere. Manchen führte sie bis an die New Yorker Metropolitan Opera, nach London, Mailand, Sydney oder Wien. Nun kehrten zehn der Stars von morgen für ein Benefizkonzert zu Ehren des mittlerweile siebzigjährigen Sängervaters und zu Gunsten der Kammeroper zurück. Sie singen für jene Eleven, die künftig von der Museninstitution gefördert werden. An jenem historischen Ort, wo sie künstlerisch anstrengende und anregende Tage unter Anleitung erfahrener Regisseure, Stimm- und Seelenbildner verbringen konnten.   Doch auch die Rheinsberger Bürger haben das Musenfest längst angenommen. Man kennt die Stücke, wirkt in manchen sogar mit. „Die Kunst ist für die Stadt das Brot, das wir brauchen“ verkündet Bürgermeister Manfred Richter als Laudator des Konzertes. Dessen unermüdlichem Motor und liebevollem Mentor danksagt der griechische Bariton Aris Argiris: „Matthus ist ein Komponist, der Stimmen liebt!“ Wie wahr. Zwölf Opern sind''s bislang geworden. Vom Erstlingswerk „Lazarillo vom Tormes“ (1964) bis zur „Unendlichen Geschichte“ (2004) künden sie alle von der Macht des Gesanges.    Unter diesem Titel geben sich ein stolzer Spanier, Judith und Holofernes, der Kastratensänger Farinelli, Cornet Christoph Rilke, Kronprinz Friedrich und Vater Friedrich Wilhelm I., Atreju und Uyulala im Rheinsberger Schlosstheater die (Bühnen-)Klinke in die Hand. Ihnen unverwechselbare Stimme und Gestalt zu leihen, sind beispielsweise Lars Fosser aus Dänemark, Agnieszka Piasecka aus Polen und Carolin Masur aus Berlin angereist, um in Arien, Duetten und Ensembles den bühnentheatralischen Matthus''schen Kosmos zu enthüllen. Gut lässt sich dabei verfolgen, wie der Komponist die überlieferten Formen nutzt, um sie seinen künstlerischen Ambitionen anzuverwandeln; wie er allmählich zum Einfachen und Aussagekonzentrierten findet.    Arios und ausladend verkündet Lazarillo (mit baritonaler Lyrik: Hubert Wild): „Ich bin Besitzer eines schönen Schlosses“, in dem er jedoch nicht leben könne, weil der nachbarliche Ritter seinen Gruß nicht erwidere. In „Kronprinz Friedrich“ sind die Mittel differenzierter geworden, sublimer eingesetzt. Sparsam gibt sich die Begleitung, von Olav Kröger an einem Flügel der bayerischen Pianofortefabrik Steingraeber & Söhne aus Bayreuth hervorgebracht, die mit ihren klanglich feinsinnigen Instrumenten dem Grünen Hügel zu Diensten ist. Nun also auch der Musikakademie Rheinsberg, die den Flügel leihweise der kammeroperalen Saison zur Verfügung stellt.    Dunkel dräut es in Bassregionen, als „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I., innerlich von Zweifeln zerrissen, über die gerechte Bestrafung des Kronprinzen nachdenkt: „Ich will dich nicht sterben sehen“. Wie schon bei der Uraufführung anno 1999 gestaltet Lars Fosser diesen Monolog zu einer beklemmenden Charakterstudie. Klangüppiger und raffinierter ist die „Judith“-Saga ausstaffiert, wo Judith (Catherine Veillerobe) und Holofernes (Aris Argiris) in parallel geführten Arien von ihren Gefühlen erzählen. Im „Cornet“ eroberte sich Matthus mit den Gedankenstimmen neue Dimensionen szenisch-musikalischer Gestaltungsmöglichkeiten. „Wir sind nur Mund“ singen Gräfin (Agnieszka Piasecka) und Cornet (Ulrike Mayer) mit ihren Doubles (Jee-Young Lucie Kim, Carolin Masur).   Die stimmungsdichte Orakelszene aus „Die unendliche Geschichte“ mit ihren melodischen Linien und zarten Klanggespinsten, vokalisenreichem Gesang von Solisten und Chor (per Bandeinspiel) trifft das Märchenhafte und Sinnüberhöhende der Vorlage vortrefflich. Auszüge aus „Farinelli“ zeigen den Komponisten ganz von seiner witzig-pointierten Seite. Köstlich wie sich anfängliche Tonleiterübungen auf „a“ zu einem Liebesduett „aaaa-more“ zwischen Farinelli (Hubert Wild) und Maria (Marie-Therese von Seyfried) entwickeln. Rockmusik-Rhythmen und elektronische Klänge heizen dem Finale mächtig ein. Es muss, nachdem alle Mitwirkenden dem sichtlich beeindruckten Sängervater eine Rose überreichten und das Publikum mit stehenden Ovationen dankte, wiederholt werden. Warum eigentlich, fragt man sich verwundert, nimmt sich keine Berliner Bühne den Matthus''schen Opernschätzen an?Peter Buske

Peter Buske

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