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Kultur: Musik?

Erster Abend in der fabrik mit dem Ensemble Anthemion und „Wolfsgeheul“

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Musik kann anstrengend sein. Für den Interpreten und für den Zuhörer. In die Nähe von vier Stunden geriet der Abend am Freitag in der fabrik. Keine Oper von Wagner oder Verdi wurde offeriert. Nein, Werke des 20. und 21. Jahrhunderts. Man war eingeladen zur Eröffnungsveranstaltung von „intersonanzen“, dem Brandenburgischen Fest der Neuen Musik. Bereits zum achten Mal findet dieses Festival statt. Veranstaltet wird es vom Brandenburgischen Verein Neue Musik e.V. Die unermüdlich fleißigen Organisatoren – Michael Schenk, Susanne Stelzenbach und Bringfried Löffler – wollen mit „intersonanzen“ dem weiten Feld der neuen Musik ein Podium bieten und damit ein undogmatisches Festival für neugierige Zeitgenossen mit offenen Ohren sein.

Genaues Hören ist, wie bei Musik aus jeder Epoche, auch hierbei gefragt. Bei allem guten Willen zur höchsten Konzentration, verschlossen sich einige Werke jedoch durch ihr äußeres Gehabe, durch ihre Effekthascherei. Mit den „Instrumenten“ wie Weinflaschen, Biergläsern, Stühlen oder einem gellendem Frauenschrei kann man zwar kurzfristig Spannung erzeugen, doch das Ganze bleibt nur Geräusch, selten Musik.

Der fast 100jährige amerikanische Komponist Elliot Carter soll sich bei seinem Publikum für seine avantgardistischen Werke entschuldigt haben. Im hohen Alter beschäftigte er sich dann mehr und mehr mit der griechischen Folklore.

Die beiden Klassiker der Moderne Elliot Carter und Karlheinz Stockhausen und ihre gespielten Piecen gehörten zu den qualitätsvollen Werken, die das hoch motivierte Anthemion Ensemble aus Berlin unter der Leitung von Andreas Staffel in der fabrik zum Besten gab. Stockhausens Tierkreiszeichen gehören zu dessen klangschönsten und zugänglichsten Werken. Für unterschiedliche Instrumente eingerichtet, wurden in der fabrik die Fische und die Jungfrau für Violine (Eva Polster) und Violoncello (Franziska Lüdicke) gespielt. Helmut Zapfs Albedo VII (weiße Farbe) für Flöte (Ursula Weller), Percussion (Dominic Oelze, wohl die Seele vom Ensemble) und Klavier (Andreas Staffel) erwies sich als ein treffend strukturiertes und atmosphärisch dichtes Werk, das einen spannenden und Neugier weckenden Umgang mit neuer Musik zuließ. Friedrich Schenkers Quintett für Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Klavier und Violine mit seiner expressiv anmutenden, doch auch starren Klangsprache wird auch durch die aufgesetzten Effekte nicht unbedingt zu einem Hörerlebnis. Andreas Staffels Stück mit dem seltsamen Titel „Speichen“ (nach einem Gedicht von Paul Auster) ist eine Art Programmmusik. Bei der Vorrede des Komponisten erwartete man Ironisches und Parodistisches, zum Baustellenlärm vor seiner Haustür, Filmmusik aus den zwanziger Jahren oder das gleichzeitige Erklingen von sechs Nationalhymnen – eine Anregung von der Fußballweltmeisterschaft 2006. In dem Stück findet man jedoch nichts Heiteres. Trotz der Farbigkeit ist es nicht zu fassen. Man blieb ratlos.

Beim zweiten Teil des Eröffnungsabends gab es „Wolfsgeheul“, ein Raumkonzert, bei dem vier Musiker, zwei Tänzer mitwirkten, dazu interaktives Video und Licht sowie ein Mehrkanalzuspiel. Alle Kompositionen des Konzerts stammen von dem Potsdamer Alex Nowitz, bis auf die Klanginstallation „Wax and Wane“ von Sabine Lara Vogel. E schien, als ob es dem Komponisten oftmals um die Manipulation von Wahrnehmung und Gefühl ging. War der große fabrik-Saal vor der Pause noch mit Zuschauern gefüllt, verharrten danach nur weniger als die Hälfte. Alex Nowitz ist ein Künstler, der theatrale Aktionen liebt, der die Singstimme gern einsetzt, auch elektronische Klänge, der sich selbst als singender und musizierender Darsteller in Szene setzt.

Doch dass die Konzentration der Besucher bei den „Hauptstücken“ wie „Der Vergnügungsvogel“ und „Der Schlaftöter“ verloren ging, hatte damit zu tun, dass sie zu sehr ausgewalzt wurden, einfach nicht auf den Punkt kamen.Die oftmals unappetitlichen Lautmalereien taten ihr Übriges.

Für den „Schlaftöter“ wählte Nowitz einen Text von Ralph Hammerthaler. Darin geht es um die unbewusste Tötung einer Frau, die der Mann im Schlaf vornimmt. Die Geschichte und die anderen Mitwirkenden (Tänzerin, Pianistin und Flötistin) gerieten jedoch in den Hintergrund, weil die enorme Wandlungsfähigkeit von Nowitz als Darsteller, Sänger und Instrumentalist dabei vorherrschend war. Dennoch: auch Sabine Vogel, Flöte, Magda Smyas, Klavier, Peter Rainer, Violine, Shannon Cooney und Joris Camelin überzeugten mit fabelhaftem Können. Aber die Ratlosigkeit am Ende des allzu langen Abends blieb, viel Anstrengung, zu wenig Unterhaltendes. Das soll also neue Musik sein?

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