Kultur: Musik aus allen Ecken
Die „Fête de la musique“ begeistert das Potsdamer Publikum in vielen Bars und Cafés
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Die beiden Initiatoren der „Fête de la musique“, Raiko Möller und Juliane Riedel, sind sichtlich erleichtert, dass es nach monatelangem Planen nun endlich losgeht. Am Dienstag sind die Beiden noch durch Potsdam gezogen und haben die letzten Plakate geklebt. Der Grafikdesigner und die Diplommedienwirtin organisieren zum nunmehr dritten Mal die Veranstaltung zur kürzesten Nacht des Jahres, die zeitgleich in über hundert Städten stattfindet.
Den Auftakt in Potsdam machen „Soulsauce“, die am frühen Mittwochnachmittag damit beginnen, das Lavazza mit latingetränktem Soul zu beschallen. Am Abend dröhnt es dann aus allen Ecken der Potsdamer Innenstadt und darüber hinaus. Menschen wühlen sich durch die schwüle Luft in den Hof der Abendschule Grand École. Dort betreten „Fortunate Fools“ die Bretter und machen mit ihrem launig-drückenden Funk-Rock Stimmung, während unter der großen Linde eisgekühlte Getränke die trockenen Kehlen hinunterperlen.
Auch in den Garten der fabrik in der Schiffbauergasse lockt die Sonne Feierwillige. DJ Joe One legt Hip Hop und R“n“B auf die Plattenteller, wozu es sich in den Liegestühlen prima müßig fläzen lässt. Später spielen „Barré“ ihren unpathetischen Deutschrock und das Septett „Krach“ lässt knackige Ska-Klänge über die Havel schweben.
Zurück in der Innenstadt haben sich „Die Emilys" auf dem Bürgersteig vor dem La Leander aufgebaut. Unaufdringlicher Chanson-Blues wabert über die Tische und hallt von den Backsteinfassaden wider. Vor der Bar Gelb und dem Celtic Irish Pub schlägt der Stimmungs- und Lautstärkepegel eindeutig weiter aus: „Fosbury Flop“ rocken die Dortustraße mit mannigfaltigem Hip-Rock.
Unter den Torbögen des Nauener Tors haben sich derweil „Kitchen Grooves“ eingenistet, die mit elegantem, fluffigem Soul-Jazz so manchen Café-Gast verzauberten. Auch Vorbeieilende machen spontan Rast bei der wunderschön klirrenden Stimme von Sängerin Monique Patricia. Beschützt vom Riesen-Buddha auf dem Dach und unterstützt von Dutzenden Gästen spielt Lokalmatador Peter Schmidt mit seiner Band in der Waschbar. Bei Temperaturen im Kochwäsche-Bereich bearbeitet er gewohnt virtuos seine sechs Saiten.
Weniger virtuos, aber genauso unterhaltsam geht es im B-West in der Zeppelinstraße zu. Dort gibt sich der Stiernacken des Großklappen-Rock Joachim Deutschland die Ehre. Diesmal kleidet er seine sonst nur durchs Großkaliber abgeschossenen Songs recht zünftig in ein akkustisches Gewand und kredenzt unterstützt von zwei Trommlern eine umjubelte Unplugged-Show. Außerplanmäßig gibt es in der Brandenburger Straße ein Zusatzkonzert. Vor dem Literaturladen Wist baut sich spontan Zound Zero auf: mit kernigem Hip Hop, Live-Instrumentierungen und DJ begeistern sie den schnell anwachsenden Haufen. Wenig begeistert zeigt sich das Ordnungsamt und bittet um die schnelle Bandauflösung – zumindest für den heutigen Abend.
Bei der Tour durch die Cafés und Bars sieht man auch immer wieder Raiko und Julianne auf ihren Fahrrädern die Locations abklappern. Im Hinterkopf haben sie sicher schon einen Sack voller Ideen für das nächste Jahr. Denn egal, wieviel Stress die Planung mit sich bringt, wenn sie die vielen positiven Reaktionen zu hören bekommen, werden sie auch im nächsten Jahr sagen: „Wir machen“s!“ Es ist ein unkommerzielles Event. Die Künstler spielen ohne Gage. „Die Liebe zur Musik steht im Mittelpunkt“, umreißt Juliane das Konzept, der in Paris Anfang der Achtziger aus der Wiege gehobenen „Fête de la musique“. Als Konkurrenz zur ausufernden Berliner „Fête“ sehen sie sich nicht. Vielmehr sei das Potsdamer Programm eine Ergänzung zur Hauptstadt. „In Berlin drängeln sich die Leute vor den Bühnen. Hier ist es viel entspannter und man kann gemütlich zur Musik chillen, ganz ohne Stress“, beschreibt Raiko sehr richtig das spezielle Potsdamer Flair.
Christoph Henkel
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