Kultur: Musik und Bild der Frau
Ausstellung mit Bildern von Emily Püttner im Alten Rathaus
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„Frauen – Vogel – Frei“ nennt sich eine Ausstellung im Alten Rathaus, die Malerei von Emily Püttner präsentiert. Und was das „Vogel“ und „frei“ auch bedeuten kann, war bei der Eröffnung mit der Akkordeon-Musik von Sabine Raatz und der frei improvisierten Stimme von Judith Estermann zu erleben. Die heutigen Künstlerinnen lassen sich einfach inspirieren von Bildern, die an der Wand hängen, und entwickeln ihre jeweilige, dazu für den Moment passende Musik.
Dass das Akkordeon eine solche Bandbreite von Schluchzern, beiläufigen Alltagsgeräuschen und pathetischen Klängen liefern kann, das bewies die Virtuosin mit dem Instrument, das oft in Schifferklausen zu hören war. Damals, als es noch eine andere Zeit gab. Und dass die Stimme nicht nur Opern und sonstige Arien oder poppige Klänge für unsere Ohren bereithält, wurde bei der Improvisation von Judith Estermanns deutlich. Das Gesamtkunstwerk fand am Freitagnachmittag statt, aber die Bilder von Emily Püttner sind noch bis zum 31. Oktober zu sehen.
Die 52-jährige Malerin, die schon seit 25 Jahren in Madrid lebt, aber in Freiburg geboren ist, hatte ein Aufenthaltsstipendium für Berlin von der Universität der Künste. Da lebte und arbeitete sie in Oberschöneweide, und was sie offensichtlich besonders beeindruckte, sind Brücken und Flussläufe, die sich in die Stadt wie weibliche Kurven eingravieren. Gerade da, wo eigentlich Industrie- und sonstige Brache ist, entdeckte sie, zumindest ist das so an ihren Bildern, die aus Mischtechnik bestehen, abzulesen, immer wieder Rundungen. Meist sind das Brücken, die mit Kohlestift das Bild dramatisieren, die modernen Neubauten befinden sich im Hintergrund, weit ab von dem, was Emily Püttner interessiert. Mächtig durchschneiden die Rundungen die Stadt und machen sie zu einer Landschaft, die aus Vibration zu leben scheint.
Auf vielen der „Fluchtpunkte“ genannte Arbeiten ist auf der zentralen, geschwungenen Brücke das Graffito „ich liebe dich“ zu entziffern, wenngleich man es manchmal auch selbst ergänzen muss, so schwach wirken dann einige Buchstaben. In der Ferne, am Fluchtpunkt, winkt dann schon mal das angedeutete Sony Center oder ein anderer hypermoderner, anonymer Bau, der allerdings in der fließenden Bewegtheit, die diese Arbeiten ausstrahlen, nur wenig Bedrohliches an sich hat.
Die Variationen eines Themas gliedern sich in dreizehn Arbeiten, von denen zwei schon im Flur hängen. Das spezifisch Weibliche des malenden Blicks ist zumindest auf den ersten Blick nicht zu erkennen, aber es gehe um „Projektionen der weiblichen Innenwelt ins Unbegrenzte“, ist im Programm des elften Frauenfestivals des Autonomen Frauenzentrums nachzulesen. Nun gut. Erkennbar ist jedenfalls ein schwingender, sich offensichtlich durch viel äußere Bewegung gerade aus seiner Geschichte herausholenden und nach einer neuen Identität suchenden Stadtteil. Und ob der nun speziell weiblich wird oder nicht, bleibt zu deuten der Betrachterin überlassen.
Oder all jenen Architekten, die an dem neuen Berlin-Gesicht arbeiten. Seltsam gleich wirken die Arbeiten von Emily Püttner und muten in ihrer Wiederholung eher statisch an. Die wie von Autofahrten abgeschauten, in jedes Bild durch kurvigen Strich gezeichnete Geschwindigkeiten, wirken in der Serie seltsam unbewegt und nur wenig neuen Raum eröffnend. Aber sicher liegt ihnen auch eine positive Deutung inne, die sich jeder durch eigene Anschauung selbst verschaffen kann.
Der eher monotone, serielle Eindruck mag aber auch am Alten Rathaus liegen, das seine trutzige, extrem unmoderne Existenz ungeachtet aller Bauarbeiten vor seiner Fassade gelassen hinnimmt und sich der Vibration von Emily Püttners Arbeiten einfach widersetzt.
Bis 31. Oktober, Altes Rathaus, Musikzimmer, Am Alten Markt.
Lore Bardens
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