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Kultur: Musikalische Selbstverteidigung „The Wohlstandskinder“ im Lindenpark

Aufnäher und Buttons prangen von den zerschlissenen Jeansjacken: Ramones, Terrorgruppe, Sex Pistols, The Damned, Slime. Das „Who is Who“ des Punk findet sich in aufgenähter Form oder als Pin-Sammlung wieder.

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Aufnäher und Buttons prangen von den zerschlissenen Jeansjacken: Ramones, Terrorgruppe, Sex Pistols, The Damned, Slime. Das „Who is Who“ des Punk findet sich in aufgenähter Form oder als Pin-Sammlung wieder. Eindeutig und offensichtlich zu identifizieren findet sich Potsdams Punk-Szene zum Pflichttermin im Lindenpark ein. Ein junges Publikum, einige fährt Papa direkt bis vor den Eingang. Das gibt natürlich Stilabzüge, die der bunte Iro-Schnitt schnell wieder wett macht. Als Support sind „Don Kopischke“ angekündigt. Bitte wer? Vermutete man hinter dem Namen eine nervöse Schülerband, wurde man freudig überrascht. Niemand Geringeres als die Berlin-Potsdamer Geigenrocker von „Goodall“ entern mit ihren Spaß und Schweiß fördenden Songs die Bühne des Lindenpark. Das Publikum belohnt das engagierte Treiben auf der Bühne mit kräftigem Applaus und vereinzelter Gruppentanz-Einlagen. Wir fassen zusammen: „Goodall“ heißen jetzt „Don Kopischke“ und rocken immer noch jedes zur Verfügung gestellte Haus. Spaßpunk ist tot, lang lebe der Spaßpunk! Das Motto kann dann getrost für den Hauptact des Abends übernommen werden. Auch die haben eine, weniger radikale, Namensänderung hinter sich. Jüngst reihten sie sich in den Reigen der „the“-Bands ein und punk(t)en als „The Wohlstandskinder“ auf deutschen Bühnen. „Dezibelkarate“ heißt der aktuelle Tonträger und zugleich ihr Majordebut. „Kommerz! Ausverkauf!“, schreit der pflichtbewusste Punker, aber nur kurz, denn auf der Bühne gibt das Kölner Quartett mit dem CD-Opener „Du, ich und wir zwei“ schon mächtig Gas. Das Publikum im Lindenpark freut sich über den lautstarken Kurs in musikalischer Selbstverteidigung. Die Songs sind energetisch, druckvoll und laden zum fröhlichen Pogo-Tanz ein. Der Raum vor der Bühne vermixt sich schnell in einen bunten, wild wirbelnden Haufen. Die blauen Flecken bringen auf dem Schulhof wichtige Punkte bei der Punk-Glaubwürdigkeit. Muntere Ska-Anleihen gemixt mit Spaß-Punk und jeder Menge Popappeal der melodiös ins Ohr geht. Das ist genau das richtige Rezept, das kalt-feuchte Wetter vor der Tür zu vergessen. Die „Kinder“ auf der Bühne müssen derweil unter extremen Bedingungen ihr Instrument bedienen. Die „Stagediver“, die die artistischen Sprünge von der Bühne ins Publikum wagen, übertreffen zahlenmäßig nicht selten die Musiker. Der Techniker hat alle Hände voll zu tun, die Boxen immer wieder in Position zu rücken. Front-Röhre Honolulu Silver erklärt „Groschenromantik“ bei der Wahl des schönsten Wortes zum „Sieger der Herzen“. Die vertonte Version bekommt auf jeden Fall in Hüpforgien ihre breite Zustimmung. Nachdem „The Wohlstandskinder“ mehrmals auf die Bühne zurückgeklatscht wurden, geben sie zum Abschied ihre ganz eigene Liebesbekundung an das Potsdamer Publikum: „Can“t help falling in love“ in einer pompösen Bombast-Verkleidung. Sollten „Die Ärzte“ wider Erwarten in absehbarer Zeit in Rente gehen, steht der Nachwuchs des Spaß-Punks schon bereit, das Vakuum zu füllen. Christoph Henkel

Christoph Henkel

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