Kultur: Muskeln unter der Haut
Italienische Tanzperformance bei Unidram
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Italienische Tanzperformance bei Unidram Fast dunkel ist der Raum, in den das Publikum eingelassen wird. Fahles Licht von der leeren Videoprojektion hoch oben an der Wand. Und schwach glühende Glühbirnen hinter großen verschlossenen Gläsern, die in einer Reihe auf dem Boden stehen. Neben den Gläsern liegen weiße Kacheln mit roter Schrift: „fégato“, „orecchio“, „lingua“. In der Flüssigkeit stehen die Innereien und Organe eines Schweines: Leber, Ohr, Zunge und andere. Dumpf rauschender Sound aus den Lautsprechern. Weiße senkrechte Tuchbahnen verkleiden zwei der Wände, an Fleischerhaken aufgehängt wie Fleischerschürzen. Eine Ecke des Raumes ist mit durchsichtiger Plastikplane abgetrennt. Dahinter zu erkennen eine Gestalt auf weiß gekacheltem Podest, die sich an die Wand kauert. Ihre Schuhe stehen am Fuße des Podestes. „Sinesuide“, eine nur halbstündige Tanzperformance mit Installation und Video von der Gruppe „agar“ aus Turin/Italien. Sie war im Rahmen von Unidram im Waschhaus zu erleben. Hinter der Plastikplane gehen sechs Neonröhren an und tauchen die weibliche Gestalt in kaltes Weiß. Sie trägt nur BH, Unterhose und Mieder, ihre Bewegungen sind langsam und sparsam. Der Körper löst sich von der Wand, während der Kopf an die Wand gelehnt bleibt. Das sirrende Störgeräusch, das immer wieder den rauschenden Sound überlagert, scheint durch ihre Glieder zu fahren, die zittern. Der Sound wird melodischer, die Frau löst sich ganz von der Wand, doch es scheint, als wollten ihre Beine sie nicht tragen. Schließlich steigt sie vom Podest herunter in ihre Absatzschuhe, hebt ein Fleischermesser auf und wankt auf die Plane zu. Das Neonlich flackert, dann blinkt es. Wird sie sich befreien, die Plane aufschlitzen und durchbrechen? Wie in Zeitlupe wankt sie zurück in ihren engen Raum. Nun kreist das Messer um ihren eigenen Körper. Wird sie sich selbst verletzen? Das klingende Dröhnen steigert sich und bricht ab. Licht aus. Dieser sich windende Zeitlupentanz wiederholt sich nun als Video. Ausschnitte werden an die Wand projiziert. Ganz nah ist die Kamera dem Körper, die Tänzerin trägt kein Mieder. Unter der Haut sind die Bewegungen der Muskeln und Knochen zu sehen, die Haut faltet und strafft sich. Dazu eine Frauenstimme, die einen Text auf Italienisch spricht. Eine Weile steht das Publikum im Dunkeln, weiß nicht, ob die Performance bereits zu Ende ist. Dann verhaltenes Klatschen. Die Tänzerin tritt hinter der Plane hervor. Etwas ratlos wird man aus dem „Schlachthaus“ entlassen, in dem kaum etwas passiert ist. Entrückt und rätselhaft war die Gestalt hinter der Plane. Intensiver waren die Großaufnahmen des Videos, das ästhetische Fließen der Bewegungen unter der Haut. Doch so richtig erreicht hat einen nichts von alledem.Dagmar Schnürer
Dagmar Schnürer
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