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Kultur: Mut zum eigenen Geist

Die Epoche der Aufklärung in Preußen / Forschungszentrum editiert Schriften Friedrich des Großen

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Die Epoche der Aufklärung in Preußen / Forschungszentrum editiert Schriften Friedrich des Großen Von Jan Kixmüller Im 18. Jahrhundert zog in Potsdam ein neuer Geist ein. Die Aufklärung, frei nach Kant, der Mut, sich seines eigenen Geistes zu bedienen, das kritische Denken hatte Friedrich II. mit Voltaire, La Mettrie und Maupertuis an den preußischen Hof geholt. Eine Epoche, die europaweit das Denken und Handeln umkrempelte. Das Forschungszentrum für Europäische Aufklärung (FEA) am Potsdamer Neuen Markt hat sich in seiner Arbeit dieser Epoche verschrieben. Einer kleinen Gruppe von Teilnehmern einer URANIA-Führung gab Iwan-Michelangelo D“Aprile gestern Einblick in die Arbeit des hinter dem Kutschstall verborgenen Instituts. Da wären zum Beispiel die Schriften Friedrich des Großen, die das FEA in einem seiner jüngsten Projekte editieren will. Ein Langzeitprojekt, bis zum 300. Geburtstag des Königs im Jahre 2011 will man das zweisprachige Werk fertiggestellt haben. Es soll in Deutsch und Französisch erscheinen, der Sprache in der Friedrich II. von Preußen (1712-1786) sich zu Hause fühlte; das Deutsche gebrauchte er nur im Umgang mit seinen Ministern. Friedrich der Große verstand sich in Abkehr von der höfischen Konvention als Intellektueller auf dem Thron, als Autor zahlreicher Schriften stellte er seine literarischen Ambitionen unter Beweis. „In seiner Doppelrolle als König und Philosoph, als Herrscher und Aufklärer, steht er für eine historische Konstellation, die Einblicke vermittelt in die Möglichkeit des Bündnisses von Geist und Macht im Horizont der europäischen Aufklärung“, so der Direktor des FEA, Prof. Günther Lottes, der zusammen mit Brunhilde Wehinger die Schriften des „roi philosophe“ herausgeben wird. Die Aufklärung des 18. Jahrhunderts als Beginn der Moderne, mit den Wurzeln des demokratischen Verfassungsstaates, den Ideen der Menschenrechte, der Frühform der Industrialisierung und einer neuen Ordnung des Wissens sind der Nukleus des Forschungszentrums. Wissen bestand nun nicht mehr nur aus überlieferten Fakten, sondern Wissen bedeutet fortan, etwas begründen und empirisch ausweisen zu können. Ein Projekt des Zentrums beschäftigt sich mit der Predigtkultur, waren die Kirchenpredigten im 18. Jahrhundert doch auch ein Mittel der Volksaufklärung. Schule und Kirchenbildung waren in Preußen noch nicht getrennt, die meisten Lehrer und Gelehrten hatten ein Theologiestudium absolviert. Der Protestantismus war schließlich auch das Fundament der Aufklärung in Preußen. Die Forscher vergleichen Predigten aus England und Preußen, um der Frage nachzugehen, inwieweit aufklärerische Inhalte in den Predigten vorkamen. Die Entwicklung reicht von der anfänglichen Nähe zum herrschenden Calvinismus bis hin zum Gedanken der alle Konfessionen überspannenden Vernunftreligion. Den Charakter und die Wandlung Preußens von der militärischen Großmacht zum kulturell interessierten Staat spiegeln die Berichte europäischer Reisender über Preußen wieder, die am FEA in einem Band zusammengebracht wurden. Während sich die Engländer anfangs noch über den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. mokierten, schwärmt der Franzose Mirabeau später vom Preußen als Palladium der Freiheit und des Denkens, dem Zentrum der Aufklärung. In seiner Vielstimmigkeit wird das Preußen dieser Zeit dann auch als multiethnische Nation sichtbar: jeder dritte Preuße war Hugenotte, die jüdischen Zuwanderer machten Berlin in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zum Zentrum der jüdischen Aufklärung, und als dritte große Minderheit kamen die Polen durch die Schlesischen Kriege hinzu. Die Reiseberichte reichen von dem osmanischen Gesandten Ahmed Resmi Efendi, der Mitte des 18. Jahrhunderts hierzulande eine florierende Türkenmode entfachte, über Mirabeaus „anderes Preußen“ und Heinrich Heines Sicht auf die Berliner Aufklärung bis hin zu der Autorin George Sand, die im 19. Jahrhundert in ihrer Romanwelt auch Bezüge zur Epoche der preußischen Aufklärung suchte – Preußen wird in ihrem Roman „Die Unsichtbaren“ sogar zur Quelle der Französischen Revolution. Das Reisen im 18. Jahrhundert betrachtet Herausgeber D“Aprile schließlich als aufklärerische Tat an sich: „Die Welt selbst anschauen, um sie nicht nur aus den Worten des Pfarrers zu kennen.“ Der Wille eben, sich seines eigenen Geistes zu bedienen. „Europäische Ansichten – Brandenburg-Preußen um 1800 in der Wahrnehmung europäischer Reisender und Zuwanderer“, Iwan-Michelangelo D“Aprile (Hrsg.), Berliner Wissenschafts-Verlag ISBN 3-8305-0562-0.

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